VErfall, Krankenhauslivebericht, Danach -Kortisonstoßtherapie bei MS Schub 2009

 

29. Juli 2009, Mittwoch 5:15

Als ob ich beim Lauf nicht schon genug mit meinen Beinen und deren Koordination zu tun hätte, zeigte sich mein Magen wieder mehr als verstimmt. Mein Körper krümmte sich unwillkürlich beim Laufen, während sich meine Eingeweide selbst zu verdauen schienen. Die linke Hand kontrollierend am linken Bein, die rechte auf Magenhöhe ins Hemd gekrallt. Laufender Totalschaden. Ich wurde immer gereizter, stolperte, konnte nicht mehr und machte dennoch weiter. Sebastian meinte dann entnervt, ich sei so zickig und unglaublich mies gelaunt. „Wie stellst DU dich denn an, wenn du mal „nur“ poplige Müdigkeitskopfschmerzen hast? Na?“. Er hatte wieder jedes einzelne Ächzen und Stöhnen meinerseits auf sich gemünzt. Tja, so sind sie, die Waagen dieser Welt. Aber es ging nicht anders, jeder Atemzug fiel schwer. Ich sah mich zurückkatapultiert in den Zustand von vor 4 Monaten und die Entnervung nahm nicht gerade ab, als er wieder auf dem Sofa saß, während es noch so viel zu tun gab. Den Fischen ging’s nicht gut, das Wasser im Teich so dermaßen voller Algen, sie bekamen keine Luft mehr. Also musste da schnellstmöglich etwas getan werden. Hatte auch gar keine Lust noch Kraft, schon wieder um „Hilfe“ zu betteln. Also knurrten wir uns kurz an, er brachte dann den Wannenteich in Ordnung, was ich wieder allein gemacht hätte und dann war gut. Was ist so schwer daran zu verstehen, dass es mir so unglaublich zuwider ist, immer und immer wieder Hilfe einzufordern für Arbeiten, die eigentlich selbstverständlich wären und auch er selbst sehen müsste? Tja, Gudrun, deine Erziehung hat versagt. Während ich Pfannkuchen machte, spülte ich simultan noch das Geschirr, denn auch dieses würde noch Tage stehen, ehe etwas ohne mein Zutun passiert. Es machte mich noch wütender, dass ständig irgendwelche Alltagsaufgaben auf mich warten (und immer NUR auf mich), die mich in erster Instanz maßlos überfordern und sich dann auch noch störend zwischen mich und mein Bild schieben. Und dann kommt wieder dieses: „Frag mich doch…“. Ja, mach die Augen auf! Nach dem Essen hatten sich die Wogen wieder geglättet, gönnte mir noch eine Verschnaufpause auf dem Sofa und musste mich anschließend förmlich von diesem treten, um mich Richtung Atelier in die Gänge zu setzen. Dort blieb ich auch die nächsten 5 Stunden, nahm mir nicht viel vor und schaffte dann doch mehr. Na Frust? Wo bleibst du? Wo der Kampf? Stilles vor mich hin Malen. Das Ergebnis als unheimlich befinden. Dann abends wieder massive Magenschmerzen. „Wir können auch 2 Pantoloc nehmen, wenn es ganz schlimm ist.“, um meinen Hausarzt zu zitieren. Also warf ich mir noch eine zweite Tablette ein, die aber nicht half. Dann krampften das linke Bein und der linke Arm mit dem Magen um die Wette und die Suche nach Schlaf war vergebens. Der den gesamten Nachmittag angekündigte Regen verpuffte abends in wenigen Tropfen um einen blanken Himmel zurückzulassen. Und nun feststellen, dass ich keine Lust mehr auf diesen ganzen Scheiß habe. Glaube nicht mehr, dass es hilft. Und dann noch 25€ alle 4 Wochen. Ich stellte eine Hochrechnung an und kam zu dem Ergebnis, dass dies 4 Bildern entsprechen würde. Ja, ich bin vom Glauben abgefallen, wahrscheinlich so, wie man mir nie glaubt. Mein Überdruss hat grundsätzlich eine Inkubationszeit von einem Jahr. Dies lässt sich auf alle möglichen Lebensbereiche übertragen. Seien es Psychotherapien und solche, medikamentöser Art. Es ist mir zuviel. Es ist mir egal. Und Sebastians Resümee fiel vernichtend aus: „Seitdem du die Therapie begonnen hast, geht’s dir noch schlechter.“. Besser sicherlich nicht und gleich bleibend schon gar nicht. Was wird sie heute sagen? Ich bin total angefixt von der Idee, irgendeinen sarkastischen Spruch raus zu hauen, wenn ich mir nur ganz sicher wäre, den Befund richtig interpretiert zu haben. Ihr beim Überreichen die Frage stellen: „Was glauben Sie? Psyche oder spinn ich doch nicht?“. Nein, das wage ich nicht, denn wer weiß, wie sie den Befund sieht. Aber zumindest, wenn ich im Recht bin: „Mensch, da war der Psyche wohl zu dunkel und sie musste sich ein Lichtlein „anzünden“, wie?“. Und dann? Therapieabbruch? Oder: „Wir probieren es noch weiter.“? Mein Körper ist angespannt, ich bin angespannt. Und ich mag nicht…

Vormittag

Mein Leben ist eine Farce, eine Tragikkomödie, ich lach mich tot. Erst Neuro, dann Tagesklinik. Tatsächlich spuckte der Port mit gekonnten Atemzügen Blut aus, wie gnädig. Dann in die Psychiatrie. „Die Neuro hat uns schon mal jemanden mit ner Konversionsstörung hoch geschickt, die gibt es so aber gar nicht mehr.“. Ich solle mehr auf mich selbst vertrauen. Dann zurück zur Neuro. Komme gleich dran. Sie ganz ernst: „Unter Tysabri darf nichts passieren, aber ihr MRT sieht aus, als hätten sie nie welches bekommen.“. „Also habe ich den Befund richtig gedeutet?“. Sie bejahte dies und auch, dass sie sich selbst erst mal durch diesen kämpfen musste, ehe alles klar war. Ich meinte dann verbittert: „Tut mir leid, wenn ich das nun sagen muss. Aber es entsteht die perverse Situation, dass ich mich über die Verschlechterung regelrecht freue, da nun wieder bestätigt ist, dass es NICHT die Psyche ist!“, und erläuterte auch, dass ich mich dann erst recht überfordern muss, wenn man mich nicht ernst nimmt da ich mich selbst nicht mehr ernst nehmen darf. Wie geht es weiter? Bin nun wieder in der Tagesklinik und –man höre und staune- hänge an einer Kortisoninfusion. Es wurde nochmals Blut abgenommen, um zu testen, ob ich resistent gegen das Tysabrieiweiß bin. Es gab Diskussionen, ich sollte stationär kommen. „Man muss begründen, warum es tagesklinisch gemacht werden muss.“. Ich verzweifelt: „Ich hab ein neues Bild begonnen!“. „Das ist doch ein Grund.“, sie lächelte ermutigend, griff zum Telefon, und musste mir anschließend doch mitteilen, dass ich bleiben werde müssen. Ich sagte darauf schon fast wie eine drohend: „Dann bring ich aber mein Bild mit!“. Klar könne ich das. Na wenn ihr das mal nicht bereut. Ist ja gerade mal 60 x 80cm. Muss morgen wieder hier her, bekomme die zweite Kortisontherapie, werde stationär aufgenommen, darf dann am Freitag noch ein MRT mit Kontrastmittel machen und dann nach Hause um Samstag und Sonntag wieder ambulant Kortison zu bekommen. Bin ich resistent? Mit dem Bild im Gepäck fühlt sich ein Aufenthalt nicht mehr gar so schrecklich an. Mir die Maße des im Zimmer standardmäßig vorhandenen Tisches ansehen. Geht sich das aus? Ich weiß nicht, was ich denken soll. Erst recht nicht, was fühlen. Ich fühle mich gar nicht mehr. Doch. Irgendwo in mir ist diese honigsüße Zufriedenheit, doch im Recht gewesen zu sein. Doch was ist, wenn das neue MRT dann doch das Gegenteil beweist? Mich wieder hassen? Und nehme ich das Bild wirklich mit? Scheiße, das geht doch gar nicht, da kann ich doch keine Fotos machen. Ich brauche einen Ausweichplan. Die kleine Leinwand mitbringen und was andres malen? Nur was? Nein, es passt mir gar nicht, dass mein Rhythmus unterbrochen wird. Verzweifelt nachdenken, welche Bilder denn noch in meinem Kopf rumschwirrten. Da wäre noch eines… Parallelarbeiten, ob das gut geht? Angst, aus dem ersten Bild komplett raus zu kommen. Und immer wieder der Gedanke: „Die Kontrastmittelaufnahmen bringen dann ein komplett anderes Ergebnis!“. Um mich zu beruhigen, mir die Worte meines Radiologen in den Sinn rufen: „Diffusionsgewichtete Aufnahmen sind sogar genauer als nur mit KM!“. Wieder: Die Bestätigung der Verschlechterung herbeisehnen. Wie krank das auf den ersten Blick auch sein mag…

Nachmittag

 

 

30. Juli 2009, Donnerstag 4:30

Hatte extra für die Untersuchung morgens das Lioresal weggelassen. Meine Ärztin stand während der Untersuchung, bzw. nach den wichtigsten Tests kurz neben mir an der Liege, ein Gewusel im Untersuchungsraum, und überlegte: „Was wollte ich denn noch?“. „Nachsehen, ob da ne Spastik in den Beinen ist?“. „Ja, genau!“, und sie machte sich an eben diese. Sie fühlten sich durch das Fehlen der Tablette sehr angespannt und krampfbereit an. Doch das, was sie dann sagte, verwunderte wohl nicht nur mich: „Der Tonus ist eher zu schwach…“, sie runzelte die Stirn. Erstaunlich. „Darum schlurfen sie auch so beim Gehen.“. Als sie dann noch in sitzender Position wollte, dass ich meine Knie gegen den Druck ihrer Hand hoch drücke, meinte ich beim Linken: „Vergessen sie’s!“. Keine Chance, kein Millimeter. Und sie dachte laut, so wie sie es anschließend wohl in den Befund schreiben wollen würde: „Schwäche eher proximal…“. So wie immer. Ich ertrug die Taxifahrerin anschließend nicht, sie redete, bzw. murmelte nonstop vor sich hin, dass einem die Luft weg blieb, und ich wollte eigentlich nur noch schlafen. Fragte mich immer wieder, ob sie vor dem plötzlichen Unfalltod ihrer Tochter und meiner Schulfreundin auch schon so gewesen sei. War froh, als ich endlich raus war aus dem Wagen, die Klimaanlage machte den Hals doch ziemlich kratzig. Gönnte mir noch eine kurze Verschnaufpause mit Sebastian auf dem Sofa, ehe ich mich nach hinten an mein Bild verzog. Tja, weit bin ich nicht, wollte aber vor der Zwangspause keine großen, riskanten Schritte mehr wagen, um dann nicht wieder mit ungutem Gefühl die Arbeit liegen lassen zu müssen. Nun hab ich mein Laufequipment und dann am Ende noch einen Schuh bekommen. Dachte kurz drüber nach, dass mich der zweite Schuh wieder viel Zeit kosten würde und ich die Leinwand vielleicht doch mitnehmen sollte. Doch das Video ist mir zu wichtig, also beließ ich es dabei. Kramte aus meinem Leinwandstapel zwar nicht die Kleinste, aber die nächst Größte hervor und stopfte sie in eine große Einkaufstüte. Immer noch keinen Plan, was ich denn malen würde. Die Farben in einen Stoffbeutel und dann noch ein großer Rucksack für den restlichen Krempel wie Klamotten, Waschzeug, Nintendo, Fotoapparat, MP-3-Player, Notebook, Kalender und Skizzenbuch (eben alles, was man so braucht), dass man sich fragen wird, wie lange mein Aufenthalt denn dauert. Dann kam der Besuch aus Venedig zurück, alles versammelte sich auf dem Sofa, doch ich ertrug eigentlich schon längst nichts und niemanden mehr. Ich ertrug das ganze Gerede nicht, es machte auch irgendwie überhaupt keinen Sinn selbst etwas zu sagen. Offenes Interesse über irgendetwas wurde nie bekundet, ich gab mir Mühe, doch wollte und konnte dann selbst nicht mehr. Je später es wurde, konnte ich auch nicht mehr sitzen. Ich lief in der Wohnküche auf und ab, setzte mich wieder, stand aber sogleich erneut auf. Sie redeten und redeten, ich schwieg immer mehr um am Ende überhaupt nicht mehr auf das Erzählte zu reagieren und in einer versteinerten Miene zu verharren. Besuch während einer Kortisontherapie ist ganz schön grenzwertig. Mein Schädel dröhnte, mir war alles zu laut, obwohl unser Besuch ohnehin sehr leise spricht. Und während ich da so saß, als sei ich erstarrt und nur noch um mich rum Leben, fragte ich mich, ob ich denn nun die Stimmung vergiften würde. Dann krampften meine Beine und mein Arm und ich erlöste mich selbst und auch mein Umfeld von mir, indem ich mich aus der Situation raus nahm und ins Schlafzimmer floh. Warum hab ich erneut einer Stoßtherapie eingewilligt? Hab ich das überhaupt? Wurde ich überhaupt gefragt, oder wurde einfach gesagt, dass dies die nächsten Schritte sein müssten? Eine Therapie bei diesem Wetter angesichts der Erfolglosigkeit der letzten Versuche. Sie meinte aber auch, dass das Kortison auch gut gegen den Ischias helfen könnte. Und in dieser Schwüle heute Nacht im noch schwüleren Krankenzimmer zu sein, treibt mir die Kotze hoch. Jetzt dröhnt der Schädel erst recht. Mir ist alles zu wider.

30. Juli 2009, Donnerstag 4:30

Hatte extra für die Untersuchung morgens das Lioresal weggelassen. Meine Ärztin stand während der Untersuchung, bzw. nach den wichtigsten Tests kurz neben mir an der Liege, ein Gewusel im Untersuchungsraum, und überlegte: „Was wollte ich denn noch?“. „Nachsehen, ob da ne Spastik in den Beinen ist?“. „Ja, genau!“, und sie machte sich an eben diese. Sie fühlten sich durch das Fehlen der Tablette sehr angespannt und krampfbereit an. Doch das, was sie dann sagte, verwunderte wohl nicht nur mich: „Der Tonus ist eher zu schwach…“, sie runzelte die Stirn. Erstaunlich. „Darum schlurfen sie auch so beim Gehen.“. Als sie dann noch in sitzender Position wollte, dass ich meine Knie gegen den Druck ihrer Hand hoch drücke, meinte ich beim Linken: „Vergessen sie’s!“. Keine Chance, kein Millimeter. Und sie dachte laut, so wie sie es anschließend wohl in den Befund schreiben wollen würde: „Schwäche eher proximal…“. So wie immer. Ich ertrug die Taxifahrerin anschließend nicht, sie redete, bzw. murmelte nonstop vor sich hin, dass einem die Luft weg blieb, und ich wollte eigentlich nur noch schlafen. Fragte mich immer wieder, ob sie vor dem plötzlichen Unfalltod ihrer Tochter und meiner Schulfreundin auch schon so gewesen sei. War froh, als ich endlich raus war aus dem Wagen, die Klimaanlage machte den Hals doch ziemlich kratzig. Gönnte mir noch eine kurze Verschnaufpause mit Sebastian auf dem Sofa, ehe ich mich nach hinten an mein Bild verzog. Tja, weit bin ich nicht, wollte aber vor der Zwangspause keine großen, riskanten Schritte mehr wagen, um dann nicht wieder mit ungutem Gefühl die Arbeit liegen lassen zu müssen. Nun hab ich mein Laufequipment und dann am Ende noch einen Schuh bekommen. Dachte kurz drüber nach, dass mich der zweite Schuh wieder viel Zeit kosten würde und ich die Leinwand vielleicht doch mitnehmen sollte. Doch das Video ist mir zu wichtig, also beließ ich es dabei. Kramte aus meinem Leinwandstapel zwar nicht die Kleinste, aber die nächst Größte hervor und stopfte sie in eine große Einkaufstüte. Immer noch keinen Plan, was ich denn malen würde. Die Farben in einen Stoffbeutel und dann noch ein großer Rucksack für den restlichen Krempel wie Klamotten, Waschzeug, Nintendo, Fotoapparat, MP-3-Player, Notebook, Kalender und Skizzenbuch (eben alles, was man so braucht), dass man sich fragen wird, wie lange mein Aufenthalt denn dauert. Dann kam der Besuch aus Venedig zurück, alles versammelte sich auf dem Sofa, doch ich ertrug eigentlich schon längst nichts und niemanden mehr. Ich ertrug das ganze Gerede nicht, es machte auch irgendwie überhaupt keinen Sinn selbst etwas zu sagen. Offenes Interesse über irgendetwas wurde nie bekundet, ich gab mir Mühe, doch wollte und konnte dann selbst nicht mehr. Je später es wurde, konnte ich auch nicht mehr sitzen. Ich lief in der Wohnküche auf und ab, setzte mich wieder, stand aber sogleich erneut auf. Sie redeten und redeten, ich schwieg immer mehr um am Ende überhaupt nicht mehr auf das Erzählte zu reagieren und in einer versteinerten Miene zu verharren. Besuch während einer Kortisontherapie ist ganz schön grenzwertig. Mein Schädel dröhnte, mir war alles zu laut, obwohl unser Besuch ohnehin sehr leise spricht. Und während ich da so saß, als sei ich erstarrt und nur noch um mich rum Leben, fragte ich mich, ob ich denn nun die Stimmung vergiften würde. Dann krampften meine Beine und mein Arm und ich erlöste mich selbst und auch mein Umfeld von mir, indem ich mich aus der Situation raus nahm und ins Schlafzimmer floh. Warum hab ich erneut einer Stoßtherapie eingewilligt? Hab ich das überhaupt? Wurde ich überhaupt gefragt, oder wurde einfach gesagt, dass dies die nächsten Schritte sein müssten? Eine Therapie bei diesem Wetter angesichts der Erfolglosigkeit der letzten Versuche. Sie meinte aber auch, dass das Kortison auch gut gegen den Ischias helfen könnte. Und in dieser Schwüle heute Nacht im noch schwüleren Krankenzimmer zu sein, treibt mir die Kotze hoch. Jetzt dröhnt der Schädel erst recht. Mir ist alles zuwider.

Mittag

Eine Ergotherapeutin trudelt ein und sorgt für Leben um und an meiner Zimmergenossin, die nach mehreren Schlaganfällen ziemlich verwirrt ist. Die Zweite geht nachher nach Hause und gab mir den guten Rat, die bleibende ab und an einzubremsen und mir selbst Ruhepausen einzufordern, denn sonst würde man auf die Dauer verrückt werden. Dann sollte das MRT schon heute stattfinden, aber das würde nur Umstände machen. Wir einigen uns doch wieder auf morgen. Mein Schädel nun bald am Platzen, der Lärmpegel im Raum steigt. Mich erneut unter meinen Kopfhörern verkriechen um mit noch mehr Lärm dem Treiben hier entgegenzuwirken. Ich kann nicht denken.

 

31. Juli 2009, Freitag 2:30

Permanentes Schnarren und Pfeifen im Zimmer. Entstehungsort nicht ganz lokalisierbar. Ein Messgerät kann es nicht sein, stand vor den drei Betten im Zimmer und es schien doch aus der Leiste über diesen zu kommen. Und kaum war es endlich kühler geworden, kamen noch die Stechmücken und fingen an mich zu quälen. Einschlafen war schon so eine Sache für sich. Spielte kurz Sudoku, dann fielen mir die Augen zu. Legte mich hin, war wieder war. Wagte ein zweites Spiel, war viel zu unkonzentriert, machte Fehler, konnte nichts beenden. Wieder wurde ich müde, versuchte nochmals mich hinzulegen. Und als ich endlich einschlief, kam die Nachtschwester mit dem „Pipibecher“. Schlaf ade. Dann fiel mir noch ein, dass Sebastian zwar in der Apotheke Kortison bestellt hatte, aber ich doch noch vom letzten Mal eine Packung zu Hause rum liegen hatte. Ich schlurfte nach vorne in den Aufenthaltsraum, rief ihn um 22:00 Uhr nochmals an um nachzufragen, ob er das Medikament schon abgeholt hätte. Was er zum Glück noch nicht getan hatte. Ich schlurfte zurück zum Zimmer. War wieder komplett wach, setzte mich an den Tisch und spielte nochmals mit dem Klapperkasten. Nun machte ich mir erneut Gedanken um das Ergebnis der MRT-Befunde. Das Malen hatte mich davon total abgelenkt, welch Wohltat. Bagatellisieren diese dann doch den Ersten und die Psychediskussion rückt wieder in den Raum? Oder ein „Pseudoschub“? Worum geht es denn eigentlich? Darum, im Recht sein zu wollen? Vielleicht auch wirklich keine Lust mehr auf das ganze Theater hier? Versuche weiterzudenken, was denn dann danach kommen sollte. Und vermag es nicht. Da ist eine Wand und schweigt mich an. Und irgendwie ist mir das alles egal. Sehe mich selbst doch so gerne leiden. Masochist. Die resolute Nachtschwester kam abends wieder auf ihre derbe und schroffe Art ins Zimmer geschneit, um uns davon in Kenntnis zu setzen, dass sie nun Brandschutzbeauftragte sei und es jemand letzte Nacht gewagt hatte, die von mir liebevoll genannte „Discobeleuchtung“ mit Handtüchern abzudecken. Ich musste in mich reinlachen, da ich unsrem neuen Zugang eben zuvor von diesem Verbrechen meinerseits in ferner Vergangenheit erzählt hatte. Und entsann mich dann sogleich, dass ich schon mal Ärger mit der Guten bekommen hatte. Als sie das Zimmer verließ, musste ich lachen. Obwohl mir schon wahrlich nicht mehr danach war. Meine erste Zimmergenossin redete ständig einen Stiefel daher, bemerkte dies und verlieh ihrer Verzweiflung sich selbst beschimpfend Ausdruck: „Ich bin ein Depp, ich bin total bescheuert!“. Versuchte sie zu bremsen. Dann suchte sie Minutenlang nach einem Wort und fand es nicht. „Wie heißt sie denn…“, runzelte sie unentwegt die Stirn. „Wer? Kenne ich sie?“, fragte ich. „Na klar!“. Nach 10 Minuten meinte sie, wir müssten auf eine Schwester warten, die wüsste es: „Na, diese Schlag, Ep, äh, Epi…“. Ach so: „Dass du einen Schlaganfall hattest und man bis jetzt glaubte, du hättest nur Epilepsie?“. „Ja!“, sie war erleichtert. „Schreib es dir doch auf.“, ermutigte ich sie. Sie zog zu meiner Verwunderung ein Geo-Dreieck aus der Schublade (nächstes Dajavue), nagelneu und noch verpackt, drehte dieses um und schrieb dann in Großbuchstaben auf den Rückkarton: „S C H L A G …“. Dann stockte sie. Ich wiederholte ANFALL immer wieder ganz langsam, buchstabierte dann noch. Sie schaffte noch ein F und dann zwei L, blieb hängen, kehrte zum F zurück und fing an über dieses Kauderwelsch zu krakeln. Es dauerte etwas, doch ehe ich ihr raten konnte, Anfall separat zu notieren, tat sie dies selbst und schrieb es ziemlich problemlos unter den ersten Teil des Wortes. Klammerte alles liebevoll ein, damit klar war, dass das hier zusammengehört. Sie hatte zuvor stundenlang über einem Kreuzworträtsel gegrübelt und vermochte nichts hinzuschreiben. Nun konnte sie wenigstens ein Wort einsetzen. Sie tat mir leid und machte mir zugleich Angst. So enden? Dieser Zustand wird kein Ende sein, ich weiß. Doch dennoch kam ich nicht drum rum zu hoffen, dass ich in so einem Falle wenigstens noch so klar im Kopf bin, mich endlich aus dem Weg zu räumen.
Ich schmiss meinen kleinen Nintendo an um zu sehen, wie spät es ist. Oh weh, halb drei. Egal, versuchte erneut herauszufinden wo dieser Krach herkam, kapitulierte entnervt und verschwand mit meinem Notebook unterm Arm aus dem Zimmer. Im Aufenthaltsraum blieb ich nicht lange unentdeckt und die resolute Nachtschwester kam herein geschneit. Nun war sie freundlich und es tat mir leid, mich abfällig über sie geäußert zu haben. Sie erzählte mir wieder von ihren Nahtoderlebnissen. Das „Wieder“ wurde mir erst 2 Minuten nach dem Hören der Beschreibungen bewusst. „Man musst zufrieden sein, mit dem was man hat.“, sagte sie zu mir nachdem ich auf ihre Frage, wie es mir denn mittlerweile ginge, ein „Solala“ inklusive Handbewegung für instabilen Zustand zurückgab. Ich hasse diesen Satz. Den kann man wohl auf alles draufdrücken, wie? „Es ja nicht so, dass ich in Selbstmitleid zerfließen würde, sonst würde ich nicht auf die Schnauze fliegen und dennoch wieder aufstehen um weitere 5km zu laufen. Aber ein gewisses Maß an Frust steht mir doch wohl zu, oder nicht?“. Diese Warterei macht mich angespannt, war es doch so angenehm, als ich abends keine Krämpfe bekam und in den Beinen angenehme Ruhe herrschte. Schwester Elisabeth klärte mich gestern darüber auf, dass für Spasmen nicht zwingend ein erhöhter Tonus von Nöten sei. Eine herabgesetzte Spannung täte es auch. Zudem sei die Bezeichnung „Spasmen“ schon perfekt für meine Art von Krämpfen und machte mir Mut, diese Worte auch mehr zu benutzen. Doch die Arroganz so mancher Ärzte steckt mir immer noch in den Knochen. Wenn ich es denn mal gewagt hatte eines „meiner“ Worte zu benutzen, Ein abfälliges: „Ach, so was ist das nicht!“. Und nun wieder zurück ins Zimmer? Die Aufregung wegen dem MRT-Ergebnis wühlt mich viel zu sehr auf. Warum sehne ich auch immer den „worst case“ herbei? Aber es ist noch so früh, gerade eben eine Stunde verstrichen. Noch zwei Stunden, ehe es hell wird. Dann sofort wieder malen, um mich zumindest etwas abzulenken? Der Arzt in der Ambulanz meinte sarkastisch, man solle schon mal einen Wischlappen holen, es würde sicherlich eine Mords Sauerei geben. „Banause!“, zischte ich ihm nach, als der mit eben diesen Worten den Untersuchungsraum verließ. Während der Kortisontherapie nickte ich am Tisch immer wieder ein, dann kam eine junge Ärztin um mich abzuhängen und schielte auf meinen Notebookbildschirm. Dort wie immer das letzte Bild zu sehen. „Sind Sie das? Haben Sie das gemalt?“, und dann noch weiter: „Haben Sie noch mehr?“. Zeigte ihr die letzen Gemälde und sie war begeistert, entschuldigte sich aber für ihre Neugier und falls ihr Verhalten zu aufdringlich gewesen sein sollte. „Nein, nein…“, ich lief ganz rot an: „Ich bin immer total geschmeichelt, wenn sich jemand dafür interessiert.“. Jetzt war ich wach, wühlte mich durch die Fotoordner, blieb bei einem vom Vortag hängen und schon entstand ein Bild und seine Geschichte in meinem Kopf. Und auch ohne Sicherheitsabmessen war ich in der Lage, exakt das mir mögliche Maß an reellem Aussehen, hinzubekommen. Malte bis 9:00 und räumte dann meine vermeintliche „Schweinerei“ weg. Ich würde nun gern weiterarbeiten, um den Kopf klar zu kriegen. Aber es geht nicht. Und haben 3 Kortisoninfusionen nicht eventuell schon einen großen Einfluss auf das Ergebnis der zweiten Aufnahmereihe?

1. August 2009, Samstag 6:15

Die rechte Hand angeschwollen und am Zittern. Sie schmerzt. Waren es die vielen Stiche? Oder ging das Kontrastmittel doch daneben und ich habe leicht allergisch reagiert? Der Weg zum Zugang war ein weiter und glich wieder mal eher einem Schlachtfeld, als einem sterilen medizinischen Arbeitsablauf. Ich konnte meine vorweg gegangenen Warnungen physisch unterstreichen. Nichts. Aber auch gar nichts. Rein stechen, nichts, wieder raus, nicht mal Blut. Zwei junge Ärztinnen bemühten sich, als es dann 6:1 stand hörte ich auf mit dem zählen. Ich bot meinen Hals an, eine der beiden liebäugelte immer wieder mit der von ihr als „wunderschön“ umschriebenen Vene an der rechten Seite. Das wäre ihr erstes Mal. Ich ermutigte sie, es für uns beide das erste Mal werden zu lassen, aber auch, dass ich dann ein Foto davon haben will. Sie versuchte es auf dem konventionellen Wege weiter und da ich ihr klar gemacht hatte, Masochist zu sein (kaum zu übersehen), dürfte sie ruhig sadistischer ans Werk gehen. Das tat sie dann auch und klatschte kräftig mit der Hand auf den rechten Unterarm. Dann kam wieder die Zweite und fragte, ob ich allergisch auf das Desinfektionsmittel reagieren würde. „Nein, ihre Kollegin hat mich eben nur verprügelt, das nennt man dann wohl häusliche Gewalt.“. Oder „krankenhäusliche“. Endlich wurde das Wasserbad in die engere Wahl gezogen und ich versenkte mich selbst beinahe komplett im Waschbecken mit kochend heißem Wasser. „Schön warm baden!“, gaben sie mir mit auf den Weg. Wenn die wüssten. Letztendlich versank auch noch mein Leinenhemd im Wasser und war klatschnass. Die Damen kamen wieder, ich offerierte die Option des Synchronstechens, lobte beide für ihre Ruhe, da ihre männlichen Kollegen viel schneller dem Frust zum Opfer fallen und zum Teil in Rage geraten. „Zu viel Testosteron, kann nicht gut sein.“, sagte dann eine. Und tatsächlich schaffte sie nun endlich zwischen den Fingerknöcheln einen Babyvenflon zu setzen. Der Zugang wurde gut verpackt, unten im MRT gab es schon Ärger, weil es so lange dauerte. „Dann sollen DIE doch hochkommen, und es besser machen, nicht?“. Alles nickte. Nach ihrem Erfolg blickte mir die Ärztin über die Schulter um meine Zimmergenossinnen zu beruhigen. „Keine Angst, wir können gut stechen, das ist nur bei der Frau Samer so.“, und dann noch zu mir: „Ich hab ihnen ja geglaubt, na ja, ein wenig, aber so was hatte ich auch schon lange nicht mehr. Sie hatten wirklich recht.“. Natürlich. Angeblich beendeten wir die Prozedur mit einem Stand von 8:4 und der Sieg ging an das schwarzhaarige Team. Als ich zu Hause dann jedoch die Einstichstellen zählte, kam ich weit über 16, zudem wurde eine in der Armbeuge noch dreimal versucht. Neuer Rekord, wie? Dann kam die kleine Pflegerin mit dem Rollstuhl ins Zimmer geschossen, fasste mich im vorbeifahren ein und raste mit mir runter Richtung MRT. Bedingt durch das Sitzen und dem Fahrtwind um die Nase, hatte ich ständig intuitiv das Bedürfnis nach einem Gurt zu greifen und mich anzuschnallen. Sie murrte hinter mir, es hatte wohl Motzereien gegeben, welche sie abgekommen hatte. Eben weil ich nicht termingerecht zur Untersuchung erschien. Ich sprach ihr gut zu. „Wenn die stechen hätten müssen, wären sie in einer Stunde noch dabei! Brauchen sich gar nicht aufregen.“. Mit meinem nassen Hemd rein in die Röhre, irgendwann wieder raus, um das Kontrastmittel zu applizieren. Es ging langsam und fühlte sich auch nicht mehr so prickelnd an wie die Überprüfungsspülung auf die Funktionalität des Zugangs zuvor durch die Ärztin. Also, ging es daneben? Meine Fingerknöchel sind ganz dick, auch die  Finger an sich sehen nicht besser aus. Auf dem Handrücken thronen gleich mehrere Einstichstellen. Aber letztendlich sind bereits alle andren Gelenke auch schon formschön von Wasser geschwängert. Mein Gewicht unterstreicht dies mit einem Wert von 63,5kg. Normalerweise ein Grund zum Durchdrehen, doch der Körperfettgehalt ist so dermaßen niedrig, dass die Vernunft wenigstens daran andocken kann und so irgendwie eine gewisse Gleichgültigkeit entsteht. Nur wie lange?
Dann war ich fertig mit dem MRT und stand da mit dem Rollstuhl. „Ich rufe jemanden.“, sagte die Dame an der Röhre. „Nö, ich geh selber. Soll ich das Ding hier lassen oder muss es wieder nach oben?“. Schnappte mir dann dieses hässliche, antike Krankenkassengestell, verfrachtete meinen Papierkram darauf und fuhr los. Oben angekommen, kam mir die kleine Pflegerin entgegen. „Also damit hätte ich nicht gerechnet!“. Ich grinste, und brachte die Karre an ihren Platz. Der junge Arzt von der Aufnahme hatte das Kortison angehängt und warf einen Blick auf die Leinwand. Sah mich dann fragend an: „Wer soll das sein?“. Jetzt war ich sauer, gekränkt und noch viel mehr. „Na wer wohl?...“, und ich sah ihn streng an, dass er den Gesichtsausdruck wieder erkennen hätte müssen. Nein, nichts passierte. „Ich…?“. „Aha..?“. Jetzt reichte es. Erst zweimal die Bemerkung mit dem Putzlappen und dass ich alles einsauen würde und nun das. „Sie sind ein Banause.“. Pah! Letztendlich blieb ich komplett verunsichert zurück und wieder alles scheiße, obwohl es doch zuvor noch ganz in Ordnung war. Mich aus den Puschen zu kippen, ein Leichtes. Dann kam die Ergotherapeutin, an der wahrlich eine Schauspielerin verloren gegangen ist und schielte ebenfalls auf mein Schaffen. „Bin ich zu erkennen oder nicht?“. „Ich hab Sie gestern ganz genau beobachtet, ihren konzentrierten und strengen Blick auf den Bildschirm, derselbe wie auf dem Bild.“. „Sie sind mir unheimlich…“, gab ich zurück. Sie grinste überlegen und fuhr mit ihrer schon fast theatralischen Arbeit fort. Versuchte mir einzureden, dass ich ja auf jedem Foto irgendwie anders aussehe. Es gibt Gesichter, die bleiben immer gleich, meines scheint doch mehr Facetten aufzuweisen. Nein, das reicht nicht als Trost. Dann fiel auch noch die um 13:00 angekündigte Bilderbesprechung ins Wasser. Ich sah schon das nächste katastrophale Wochenende über mich hereinbrechen, ehe das ganze telefonisch abgeklärt werden würde. „Wann ist denn meine Ärztin wieder da, wann soll ich anrufen? Montag schon?“. „Die Frau Dr. Lindau hat morgen Dienst.“. Wieder Hoffnung: „Wäre es unter Umständen möglich, die Bilder morgen zu besprechen? Ihr vielleicht ein Zettelchen hinzulegen?“. Ein Tag Bangen reicht. Dann fuhren wir nach Hause und ich merkte sofort, dass mir alles zu viel war. Ich entzog mich dem Besuch und auch Sebastian und verkroch mich hinter mein eigentliches „Kind“ und brachte den zweiten Schuh zu Ende. Auf dem AB ein Anruf: „Frau Samer, bringen Sie morgen bitte Ihre alten MRT-Befunde mit? Danke.“. Also wird es besprochen? Zudem sind meine Befund ohnehin noch irgendwo auf der Neuro. Ich rief abends noch auf der Station an. „Neurostation Schwester Bianca…?“. Auch ne ganz Süße. „Ich wurde angerufen wegen meiner Bilder, aber die hab ich zuletzt drüben in der Ambulanz gesehen. Wär’s möglich auszurichten, dass diese im Haus sind?“. Um auf jeden Fall zu gewährleisten, dass diese rechtzeitig abgeglichen werden können und ich zu meinen Gespräch komme. Und wieder: Was wird rauskommen? Das Kortison muss irgendetwas bewirken, die Beine fühlen sich leicht angespannt an, aber es kommt kein Krampf. Und so einen Erfolg hatte ich schon viel zu lange nicht mehr. Abends nach Beendigung des zweiten Laufschuhes begab ich mich etwas gequält ins Wohnzimmer. Stand dort noch eine Ewigkeit einfach nur im Raum herum. Orientierungslos, unruhig, haltlos. Dann aufs Sofa. 4 Leute sind eindeutig zu viel für diese Abhängstätte. Ich fand keine Position, Sebastian machte dann noch Fußball an. Ich ertrug die Kommentare nicht, ertrug nicht, wie ich da zusammengepfercht auf meinem kleinen Fleckchen kauerte, ertrug gar nichts. „Ich geh ins Bett…“, und verschwand zur Tür hinaus. Nein, Besuch und Kortisontherapie sind unvereinbar. Selbst wenn es ein ganz ruhiger und eigentlich unauffälliger Besuch ist. Ich ertrage keine Gesellschaft. Bin nicht mehr in der Lage ein Theater abzuziehen, nur damit man sich in meiner Gegenwart nicht unwohl fühlen muss. Und nun? Bin ich nervös? Noch eine dreiviertel Sunde, ehe wir fahren. Doch die Psyche? Ich kann nicht mehr…

 

2. August 2009, Sonntag 6:30

Der Besuch fährt einfach nicht wieder und macht auch keine Anstalten, eine Abfahrt zu planen. Ich kann nicht mehr. Ich ertrage mich selbst schon nicht und sonst auch nichts und niemanden. Hatte mich nach dem Krankenhaus komplett in meinem dunklen Kämmerchen verkrochen und ziemlich orientierungs- und ansatzlos vor mich hingemalt. Du kannst es einfach nicht, du bist ein Versager. Gib auf! Sieh dir die ganze Scheiße doch mal an!! Was ist das? Wertloser Dreck! Der Druck in mir stieg kontinuierlich an. Los, tu es! Wem fällt schon auf wenn du dich umziehst und dann lange Ärmel trägst? Jetzt war ich depressiv. Der Besuch gammelte wieder irgendwie phlegmatisch auf dem Sofa rum, sagte nichts, weil die beiden „einfach so sind“ und ich fand meinen Platz nicht. Mir war nur noch nach Heulen. Immer noch durcheinander von dem Gespräch mit meiner Ärztin. Sebastian versuchte meine Wort- und Satzaufbauanalysen zu relativieren. „So hat sie das doch gar nicht gesagt.“, und: „Das meinte sie nicht so, da irrst du dich!“. Sinnlos? „Chronisch-progrediente Patienten berichten grundsätzlich immer von einer Verbesserung unter Cortison.“. „Ich hatte die letzten Male eigentlich gar keinen Erfolg, aber nun passiert was.“, gab ich zurück, auch um mir selbst irgendwie einen Rückhalt zu geben. Dieses „Sie wollen und brauchen das Kortison doch nur, damit Sie sich besser fühlen!“ steckt wie eine Klinge tief in mir und macht es für mich notwendig, mich für ALLES zu rechtfertigen. Ich WOLLTE das Kortison nicht, hab nicht darauf hingedrängt, hab es einfach wieder machen lassen und dass es wirkt, oder zumindest vorgibt es zu tun, liegt nicht in meinem Ermessen noch meinem Wunschdenken. Es ist einfach so. Und ich würde mir gerne somit die Bestätigung geben, dass es ein Schub ist. Und darf es dennoch nicht. Und ihre Antwort darauf, dass es auch ohne Kontrastmittelaufnahme im neuen MRT und auch ohne Progredienz zum vorletzten Befund sehr gut möglich sein kann, hilft mir erst recht nicht. Um deutlich zu machen: Es gibt bei der MS nichts, was es nicht gibt. Nichts für ein instabiles und unsicheres Gemüt, wie mich. „Eine PML ist es nicht.“, sagte sie dann auch noch irgendwo dazwischen. Ich wollte von ihr wissen, wie sie meinen Verlauf einschätzt. „Hochgradig aktiv. Durch ihre psychiatrische Komorbidität definitiv einzigartig. Und das macht es auch etwas schwieriger.“. Da war es! Warum denn? Es geht mir nicht schlechter oder besser wenn ich psychisch gut oder eben mies drauf bin. Das Gespräch an sich war gut, wenn nicht diese kleinen Schnitzer wären, an denen ich mich förmlich aufhänge. Und ich fragte sie immer und immer wieder: „Darf ich mir denn nun vertrauen, wenn ich was spüre? Ich melde mich wahrlich nicht wegen irgendwelchen Banalitäten oder kurzfristigen Erscheinungen. Ich warte immer bis zu zwei Wochen zu, ehe ich anrufe. Ich wage es mittlerweile schon gar nicht mehr, bin so verunsichert, dass ich nicht mehr weiß wo vorn und hinten ist.“. „Ich werde noch mal mit meiner Kollegin darüber sprechen.“. Es war ein langes Gespräch und ich denke einfach zu viel. Suche Fallen, Fehler, Eckpunkte, die dann doch eine andre kaschierte Meinung ans Licht bringen. Ich weiß einfach nichts mehr. Bin ich überhaupt noch hier? Spüre mich nicht. Sehe mich um, alles ist dreckig, ertrage es nicht. Kann unter diesen Umständen eigentlich gar nicht malen, aber ich will erst sauber machen, wenn wir wieder allein sind. Es lohnt sich vorher überhaupt nicht. ALLES ist unerträglich.

 

3. August 2009, Montag 6:30

Dankbar sein, dass ich wenigstens mit Unterbrechungen schlafen darf. Starke Magenschmerzen, starker Harndrang. Hilft alles nichts –aufstehen. Viel zu früh und noch so kaputt. Kaum fing der Besuch an seine Sachen zu packen, machte ich mich an die Generalüberholung des Grundzustandes im Haus. Wir verabschiedeten uns, winkten noch hinterher, doch ich war im Kopf längst wieder drin und schon beim Staubsaugen. Es ist die sich immer wiederholende Prozedur wie nach jeder einzelnen verschissenen Kortisontherapie; nur, dass ich diesmal noch zusätzlich unter Druck stand. Das Haus durch die Anwesenheit zweier Personen mehr noch unordentlicher und schmutziger und nicht zu vergessen das Bild, dessen Entstehungsprozess einer gewisse Grundharmonie bedarf. Ich überforderte mich wieder, wie immer maßlos. Am Ende pinkelte ich mich einfach wieder an, aus dem Ganzkörperkribbeln war eine Ganzkörpertaubheit geworden, keine Körperspannung und keine Kontrolle mehr. So wie immer. Also was soll’s? Hab gestern wieder nichts geschafft, gerade mal ein Himmelgrundgerüst und noch mehr gravierende Fehler ausgemacht, obwohl wir verhältnismäßig rasch wieder zu Hause waren. Auch der letzte Antikörpertest war negativ, also geht die Therapie weiter. Mein Konto leer gefegt und noch so viele Kosten im Anmarsch. Sparen ist teuer. Vor mir ein Berg Tabletten, dazwischen  2 x 40mg Urbason, ich soll diesmal ausschleichen. Da mir bereits schlecht ist, kann es ja nur noch besser werden. Bei dem Gedanken, mir diese fiesen Dinger in den rumorenden Höllenschlund da unten einzuwerfen, wird mir ganz anders. Diese Magenschmerzen haben nichts mehr mit dem „gängigen“ Magendruck während einer Kortisontherapie zu tun. Die Entzündung wohl wieder im vollen Gange. „Angefressen“ auf die Welt da oben. Egal, ich will heute laufen. Ob die Krämpfe dann wieder losgehen? Diese liebliche Stille in den Beinen –abgesehen vom Kribbeln in den Füßen- ist so wunderschön. Zwei Tage Kartoffelkur, runter auf 61kg. Der eintägige Ausflug über 63kg bedingt durch die zwei Tage auf Station wieder ausgebügelt und ich entwässert. Ich hatte es gewagt bei der Aufnahme auf die Frage nach dem Gewicht folgendes anzugeben: „Vor dem Laufen 62, nach dem Laufen 61kg.“. „Dann nehmen wir 61kg.“, sagte die Schwester. Und ich bekam sofort Angst, dass ich mich erneut auf die Waage stellen würde müssen. Wusste nicht mehr ob Freitag oder Sonntag Wiegetag war. Und dann würde da viel mehr rauskommen, weil ich ja viel getrunken hätte, vom Kortison ohnehin mit Wasser geschwängert sei und auch noch 3 Tagesmahlzeiten intus hätte. Klingt absurd, ist aber ein Alptraum. Und dann der abschätzige Satz irgendeiner Schwester oder eines Pflegers: „Ach, ist doch mehr, wie?“? Katastrophe. Ich konnte auch nicht verstehen, wie unser Besuch so unglaublich viel essen konnte. Sebastian machte fleißig mit, legte ordentlich zu und während sie zum zweiten Male hintereinander ihre riesige Abendpizza verspachtelten, saß ich mit Müsli, meinen zwei Restkartoffeln von der Mittagsentwässerung und einem Tässchen Milch daneben. Und obwohl es durchs Kortison zu erwarten war, war ich wohl letztlich die einzige, die diese Tage nicht zugenommen hat. Meine Gesichtsfarbe wechselt von leichenblass zu hochrot und dann zu gelblich weiß. Wohl fühlen sieht anders aus. Ich muss abwägen, ob ich heute überhaupt die Straße durch die Lindenallee nach Jennersdorf nehmen sollte. Bei diesem fehlenden Körpergefühl über den durch die Lindenwurzeln zerfurchten und gesprengten Gehweg klingt wie Himmelfahrtskommando mit Endstation Bruchlandung. Doch den kürzesten Weg durch die „Edelstraße“ nehmen. Wer weiß, wie mein Körper nun auf das Laufen reagiert. Ich kann irgendwie nicht denken und auch nicht fühlen. Sebastian wünschte mir abends im Bett einen guten Schlaf und ich wollte ihm sagen, dass ich ihn liebe. Aber ich konnte es nicht. Scheiß Kortison…

 

4. August 2009, Dienstag 7:15

Grauer Himmel, monotones Regenprasseln. Mein Lauf fällt ins Wasser. Aufkeimende Unruhe. Könnte auch die positiven Seiten daran sehen, kann den ganzen Vormittag am Bild arbeiten, mit nicht so erdrückendem schlechten Gewissen. Doch das Licht ist so schon viel zu schlecht, bei diesem Wetter macht meine „Dunkelkammer“ ihrem Kosenamen alle Ehre und meine Augen boykottieren ohnehin all meine Pläne. „Trübe“ Aussichten. Warten, noch ein wenig warten. Ob meine Augen wacher werden, ob mir einfällt, was es zu Mittag geben könnte bzw. was ich mir erlauben kann oder darf. Mein Magen „bringt mich um“. Und nun auch wieder die Angst, mehr zu wiegen. Schon beinahe die Vorzüge dieser Verstimmtheit für mich entdecken. Erziehungslager im Körper, Verbotenes wird bestraft. Da lernt man sich einiges abgewöhnen. Hatte mich gestern dann bis auf 60kg runtergewirtschaftet. Als ich in meine Lauftights schlüpfte, schlabberten diese an meinen Oberschenkeln. Erstaunlich, was so ein wenig Entwässern doch für Resultate bringt. Auch das neue Hemd hing im Vergleich zu vor einer Woche an meinem Körper, als dass dieser in den Stoff gezwängt gewesen wäre. Ich rief noch kurz in de Firma an um Mieke persönlich zu erklären, warum ich diese Woche nicht mehr kommen kann. „Du bist aber eine vorbildliche Mitarbeiterin.“. Ach so? Hatte freitags mit der Chefin der Küche gesprochen und ihr aufgetragen, bescheid zu sagen. Aber das reichte mir nicht. Vorbildlich? Ständig in dem Gefühl gefangen, mich für alles rechtfertigen zu müssen. Einen Tusch bitte und ein Dankeschön an meinen Vater und auch meine Oma. Glanzleistung. Dann saß ich da an meinem Bild bis um 10, das Licht war bedingt durch die Ostlage meines Zimmers und des Sonnenscheins perfekt und das von mir gewählte Royalblau des Himmels strahlte förmlich in den Raum hinein. Ja, ein royaler Himmel für ein glorreiches Untergangsszenario. Wehmut. Farbenprächtig und doch tot zugleich. Hab mich wohl wieder gesteigert und somit erneut in die Angst hineinmanövriert, noch entscheidende Fehler und damit alles zunichte zu machen. Es könnte doch ein Abschiedsbild sein. Und baue -man muss fast sagen- instinktiv Ecken und Kanten ein, um die Suche nach der Perfektion nicht enden zu lassen. Dann war es an der Zeit mich auf den Weg zu machen. Trat hinaus ins gleißende Sonnenlicht und machte meine Dehnübungen. Die Muskeln total weich, ein angenehmes Gefühl. Zugleich trügerisch und gefährlich. Nicht wissend, wann eines der Knie im Bewegungsprozess einfach nachgibt und einen zusammenstauchen lässt. Ich schlotterte den Hohlweg runter, Nervenbündel wäre noch geschmeichelt gewesen. Die ersten Schritte waren, als seien es die Ersten seit Jahren. Langsam, verdaaaaammmt langsam kam ich in die Gänge. Meine Grundgeschwindigkeit von 6-7min/km wurde auf über 8min aufgestockt. (Und bleibe an dem Satz hängen, weiß nicht ob er richtig ist noch kann ich darüber nachdenken). Ich wackelte die Straße runter, nach über 2,5km hielt ich das erste Mal an. Was für ein Gefühl. Und ich wünschte mir all diese ungläubigen Ignoranten und Verharmloser jetzt in diesem Moment in meinen Körper. So wie immer. Um dann zu fragen: „Na, wie isses? Ist doch „gar nicht so schlimm“, oder? Nun, los, lauf ein Stück!“. Mein ganzer Körper schepperte, meine Beine zitterten massiv, ich konnte jede einzelne Muskelfaser vibrieren fühlen. Es fiel ungemein schwer zu stehen, genau so schwer nicht umzukippen. 3 Minuten Pause. Diese Gefühlsexplosion in vollen Zügen „genießen“. Dann weiter. Mein linker Fuß hatte die gesamte Strecke nichts Bessres zu tun als sich querzustellen um dem Rechten ein Bein zu stellen. Sehr witzig. Versuchte so breitspurig wie möglich zu rennen, damit die Kollisionsrate etwas nachließ. Die nächsten Pausen waren nicht besser. Nach über 3km Gesamtstrecke sank ich auf eine Bank. Die Hände im Schoss zitterten stark, kalter Schweiß tropfte von der Stirn, die Wangen blass, wie ich 500m weiter am Auto angekommen feststellen durfte. Klappergestell. Jedes Anhalten bei jeder Straßenüberquerung fiel so ungemein schwer und noch schwerer das wieder Loslaufen. Aber nichtsdestotrotz verarbeitete ich 7,5km. Ein guter Einstand. Ein Lauf einerseits wie in Watte gepackt und andrerseits von Gefühlsstörungen überwältigt. Ich fühlte nichts und doch zu viel. So wie jedes Mal. Würde ich nun Krämpfe bekommen? Nein, herrlich, immer noch Stille in den Beinen. Ein Teil meines Salates zu Mittag wurde gönnerhaft weitergereicht. Ich konnte nicht essen. Ich wollte auch gar nicht. Killte stattdessen eine Wassermelone, kochte wieder Kartoffeln, die ich über den Tag verteilt spachteln würde. Schlurfte nach draußen, brauchte eine Goldrute, die mir Modell stehen sollte. Rupfte im Vorbeigehen noch hier und dort ein paar Kräuter aus und bevor ich die Blume ins Wasser stellte, zupfte ich noch die untersten Blätter vom Stiel, um diese mit dem andren Kraut in der Teekanne zu versenken. Es gab Entwässerungstee, Eigenmischung, frisch von der Wiese. Und fuhr fort mit meiner Arbeit. „Eine Farbexplosion!“, Sebastian gab sich überwältigt: „Boah! Boah! Wahnsinn!“. Ja? Dann wurde das Licht schlechter, ich putzte meine Brille mehrmals, doch konnte nicht besser sehen. Meine Augen „eingetrübt“, ich machte Fehler, musste aufhören. Dennoch: Von Tuten und Blasen keine Ahnung und aus Nichts doch was rausgeholt? Die zuletzt ins Krankenzimmer verfrachtete Patientin meinte bei einem Blick auf meine Leinwand, sie hätte sich ein Buch über Acrylmalerei gekauft, versuchte nun, da etwas abzumalen und sie fügte sich selbst aufwertend hinzu:  „Ich hab aber KEINEN Malkurz besucht.“. Sollte ich jetzt lachen oder heulen?

Immer noch Regen, wieder schweißtreibende Teemischung, die Kortisontabletten liegen auch noch unangetastet neben mir. Und meine Augen? Können wir? Wollen wir?

 

6. August 2009, Donnerstag 7:45

Angst vor der Fahrt, Anspannung während dieser, immer das schleichende Versagen meiner Augen sozusagen im Blick. Erst nach einer halben Stunde fing ich an zu singen, um mich selbst etwas zu beruhigen und rollte wie eine fahrende Kleinraumdisco den Berg runter ins Oberwarter Becken. Grüne Welle, wie immer, denn das Krankenhaus erwartete mich bereits. Als ich ausstieg, das Gangbild katastrophal. Rechtes Bein klonisch, am Zittern, links am Einknicken und leicht Nachschleifen. Dazu noch die dicken DocMartens, ich stolperte aus dem Lift in die Neuro. Das „Oh Gott!“, hörte die Frau, die mit mir im Lift gewesen war noch, dann schloss sich die Tür, „Scheiße!“ und „Fuck!“ blieben ihr erspart. Ich musste wieder dringend aufs Klo, das machte mich noch ungeschickter. Ich rauschte in die Ambulanz, auf Schwester Elisabeth zu: „Darf ich spenden?“. „Aber sicher doch.“, drückte mir während ich „vorbei flog“ einen Becher in die Hand und ich verschwand wie immer schnurstracks in der Ambulanztoilette. Anschließend weiter geschleust in ein Untersuchungszimmer. Wie ein VIP werde ich nun behandelt, immer als Erste und sofort. Wieder eine Untersuchung. Meiner Ärztin scheint nun viel daran zu liegen. „Persistieren der Grundsymptomatik, unter Solumedrol jedoch sistieren der quälenden Spasmen, nicht erschöpflicher Blickrichtungsnystagmus beim Blick nach rechts, mit gering eingeschränkter Abduktion des rechten Bulbus“. Sie würde dann in 4 Wochen bei der nächsten Tysabrigabe wieder überprüfen, ob sich was verändert hat. Legte mir erneut eine Reha ans Herz, ich bekam wieder meinen verprügelten Eselsblick und schüttelte den Kopf. Und hakte nochmals nach: „Kann es denn sein, da das nun zwei unterschiedliche Aufnahmeverfahren waren, dass diese diffusionsgewichteten Stellen doch vorhanden sind, nur eben kein Kontrastmittel aufgenommen haben?“, und noch, dass ich versuchen würde, irgendwie eine Logik in dieses ganze Durcheinander zu bringen. „Halten wir fest: Keine Progression seit Dezember. Das war das Wichtigste, um mit der Therapie fortfahren zu können. Und keine PML.“, und gab zu verstehen, dass sie von den diffusiongewichteten MRTs meines Radiologen nicht viel hält. „Und was war dann mit dem Copaxone letztes Jahr?“, da waren es dann ja auch „nur“ MRTs ohne Kontrastmittel. „Schauen Sie, Sie hatten letztes Jahr 6 Schübe (was mich immer noch umhaut, da ich anders gerechnet hatte) und das letzte MRT war eben mit KM-Aufnahme, also einem sicheren Schub.“. „Das heißt, es kann jetzt also trotzdem ein Schub sein und der MS ist nicht mit rationalem Denken zu Leibe zu rücken?“. „So ist es.“, gab sie mit einem Gesichtsausdruck, der jegliche Hoffnung auf Erleuchtung im Keim erstickte, zurück. Gut, soll mir auch recht sein. Dann ist es nun eben wirklich so, wie ich es fühle oder denke. Im Flur meine andre Ärztin. Meine 3m weit ausgefahrenen Stimmungsantennen nahmen negative Schwingungen wahr. Ich kann nicht einschätzen, wie das zwischen den beiden Damen nach meinem Gespräch von letzter Woche abgelaufen ist. Haben sie sich gestritten? Über mich diskutiert? Gab es Ärger? Ich fühlte mich unwohl, fehl am Platz und war froh als ich meinen 10-Tonner in die Hand gedrückt bekam und mich Richtung Tagesklinik davon machen durfte. Es tat mir leid, das wollte ich nicht. Kaum unten angekommen, merkte ich sofort, dass ich all diese Menschen nicht ertragen würde können. Hatte ständig das Gefühl, anzuecken, und wollte doch nur verstanden werden. Das ging wohl ziemlich nach hinten los. Es dauerte und dauerte und versuchte klar zu machen, dass es wichtig wäre, so schnell als möglich die Prozedur durchzuziehen, da meine Augen immer schlechter würden und ich doch noch nach Hause fahren müsste. Das wurde mir sozusagen „übel“ genommen. Da ging es nicht drum egoistisch ein mir nicht zustehendes Recht einzufordern, nur um eine missliche Lage, die nicht noch extra verschärft werden müsste. Die eine Schwester sprach dann irgendwann von „negativen Schwingungen“, brachte selbst aber immer wieder von draußen ganz unterschiedliche mit, die wie Steine auf mich einprasselten. Mal lächelnd, beim nächsten Mal entnervt. „Verbreite ich schlechte Stimmung?“, fragte ich sie dann einfach prompt. Verneinte dies, manövrierte aber elegant um eine richtige Antwort drum rum: „Man muss eben auch kooperieren.“. Was soll das denn? Und ich versuchte wieder und wieder klar zu machen, dass ich kein ungeduldiges Arschloch bin, sondern dann einfach nicht mehr fahren kann. Und hatte das Gefühl, Worte und Sätze strandeten immer auf einer oberflächlichen Ebene und verdunsteten dort spurlos. Blut brachte der Arzt keins aus dem Port, er gab sich auch keine Mühe. Also wieder arteriell. „Putenschnitzel oder Scheiterhaufen?“. Kohlenhydrate oder Salz? Und da ich Letzteres zu meinem aktuellen Feind auserkoren hatte, entschied ich mich für den Süßkram. Zum Mittagessen die Infusion. Ich eckte wieder an. Einfach nur, weil ich nicht in der Lage war schnell genug nachzudenken und Lösungsansätze zu finden. Wieder wünschte ich sie mir alle in meine Position. Schnupperkurs Kortisonentzug. Nachdem das Medikament drin war und der Rest in der Leitung noch mit NaCL nachgespült wurde, bekam ich wie beim letzten Mal eine hübsche Quaddel auf dem rechten Unterarm. Exakt an der Stelle, wo sie eben vor einem Monat schon war. Meine linke Wange begann seltsam zu kribbeln. Meine Ärztin wurde verständigt, aus der einstündigen Beobachtungszeit wurde wieder mehr, der Ausschlag verschwand. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam eine Ärztin, um mich von der Portnadel zu befreien. Ich könnte mich schon fertig machen, meinte sie. Um sicher zu gehen, bat ich sie ganz explizit „unverbindlich“ nachzufragen, ob meine Zeit schon abgelaufen sei. Hatte keine Uhr, keinen Überblick. Sie schloss mich vom Puls-Oxi-gerät ab und ich packte meine Tasche. Da kam eben die mich betreuende Schwester ins Zimmer geprescht und pflaumte mich an: „Sie sind nicht die einzige, die gehen will! Es geht eben nicht alles so schnell!!“. Treffer. Kurz vorm Heulen. Das war mehr als unfair. Alle Erklärungsversuche umsonst. Auch immer und immer wieder zu betonen, dass sie sich wegen mir nicht zu stressen bräuchte und ich doch „nur“ gefragt hatte, war umsonst. Ich floh anschließend förmlich aus der Station, das Maß war voll. Denn letztlich war ja ohnehin ich schuld an allem. Und tatsächlich hatte sich meine vereinbarte einstündige Beobachtungszeit verdoppelt. Ich war nun vollends durcheinander. Meine Augen umso fahrtauglicher. Während der Fahrt tauchten die Quaddeln am Arm wieder auf, diesmal mehrere und ein roter Fleck darunter. Sah lustig aus auf der vernarbten Haut. Spagetti Rot-Weiß mit Fleischklößchen. Haha. Nein, ich würde nicht anrufen und es melden. Mir reichte es, hatte die Nase voll. Zu Hause angekommen, war das Schauspiel ohnehin wieder vorbei. Und wieder: Mit 15€ mehr in der Tasche in der Kinderecke der Neuroambulanz zu versauern, war schöner.
Und was macht der Himmel nun? Wolken schieben sich vor die paar Sonnenstrahlen. Wieder 60,3kg und meine Chance, nach dem Lauf mal seit langem wieder im 59er Bereich vorbeischauen zu können, doch so gut. Immer noch durcheinander oder jetzt erst recht. Alles um mich rum zerlegt sich in seine Einzelteile…