VErfall, Krankenhauslivebericht, Danach -Kortisonstoßtherapie bei MS Schub

 

5. Mai 2005, Donnerstagmittag

Irgendwie hab ich gar keine Lust darüber zu reden, aber ich werde es dennoch festhalten, weil es einen Eintrag wahrlich wert ist.

 

Gestern war ich wegen meinem dicken Arm beim Hausarzt, der meinte, es könne ein Lymphstau sein, meinte aber, ihm sei lieber ich würde in die Onko fahren.

Blutbild, Urinprobe, Besprechung mit der Ärztin, die schickt mich mit gemischten Gefühlen sofort zum Thorax-CT, der Röntgologe hüpft entsetzt um mich rum und faselt irgendwas von: Die Hauptvenen seien beide zu!!!!

Zurück mit den Bilder eröffnet mir die Ärztin eine erschreckende Diagnose: THROMBOSE!

 

Ich hab nur noch geheult, heute geht es mir besser aber ich fühle mich leer.

Was Genaues weiß ich jetzt noch nicht, heute ist wieder ein scheiß Feiertag.

Ich soll also Marcomar bekommen und zum Bluter gemacht werden… vor drei Jahren hätte ich sogar daran was Tolles entdecken können aber jetzt find ich’s überhaupt nicht schön, allein schon wenn ich bedenke wie oft ich mir tagtäglich weh tue.. Es wird abgewogen werden müssen.

Morgen muss ich eine Magenspiegelung machen und noch andre Untersuchungen, auch am Herzen.

Wie gesagt, ich bin gestern zusammengebrochen und nun innen drin hohl und kann nicht mehr darüber nachdenken oder mir Strategien parat legen.

 

Ich frage mich immer noch: Hätte ich tot umfallen können?

 

Die Entwässerungstabletten vom Hausarzt haben bereits angeschlagen, alles schwillt ab.

Die Blutverdünnungsspritzen haben bereits angeschlagen und bei der Entfernung der Leitung blute ich wie verrückt.


6. Mai 2005, Freitag 6:15

Die Nacht war wieder mehr katastrophal als heilig. Der Blumenstrauß meiner Eltern auf dem Nachttischchen regte meine Magennerven permanent zu diversen akrobatischen Verrenkungen an, ehe ich ihn ans andre Ende des Raums auf den Tisch beförderte. Egal, mir war weiterhin speiübel und mein Herz raste.

95 Puls um halb 6, ich sagte ja, Herzrasen, es tut weh.

Und nun ist mir schon wieder schlecht, nicht nur weil ich mein fett geschwollenes Gesicht beim Pipispenden im Klospiegel flüchtig zu Gesicht bekommen hatte. Ob das auch damit zusammenhängt?

Die Entwässerungstabletten haben schon toll gewirkt, na ja, eigentlich sehe ich nach so vielen Tagen von allein schon wieder langsam „normal“ aus, also was soll’s.

Nebenbei erwähnt, so fantastische Zimmergenossinnen wie die beiden hatte ich noch NIE! Zumal auch mal ähnliche Interessen da sind. Gemütserhellend.

Die Eine verließ uns gestern und ich hoffe für die andre, dass sie heute gehen darf.

Nachdem ich gestern wohl zur ersten Patientin wurde, die ihre eigene Teekanne und ihren Wasserkocher mitbringt, um Teezeremonien abzuhalten. Es wurden gestern Abend gut 5 Kannen, aber ich glaube nicht dass mir davon so übel war. Ich sollte der Magenspiegelung heute positiv gegenübertreten, obwohl die Angst, es könne noch was Fieses entdeckt werden, überwiegt. Angst, na ja, so sollte ich es nicht definieren. Ich denke über Angst nach aber irgendwie bin ich zu ruhig, als dass ich sie ausleben würde. Und deswegen ist mir sicher auch nicht schlecht.

Es gäbe viel zu erzählen, aber ich fühl mich nicht danach. Ob meine Augen schon abgeschwollen sind?

Meine Stirn vom Kortisonausschlag verkrustet, zum Glück sieht es nicht so aus wie die ganzen Kratzer und Einstiche am Rest meines Körpers, die doch schon recht Blutertauglich dick rot unterlaufen sind.

Eklig. Die Musik tut weh und ich möchte laut mitsingen. Lauthals diesen Kloß aus mir raus schreien.

Die Nacht war so unruhig, dass mich sogar das Etikett an meinem linken Handgelenk nervte…; Eigentum des Krankenhauses, im Falle eines Todsfalles brauchen sie nur noch den Zettel zur Identifizierung. Reif für die Schlachtbank. Oder so ähnlich.

Zwischendurch frage ich mich noch, was mein entzündeter und geschwollener Hals wohl zur heutigen Untersuchung sagen wird.

Ich habe Durst.

Und erst 6:45.

9:00

Dann vorm Frühstück kam das groß angelegte Blutabnahmedesaster. Die arme Ärztin. Ich baute sie ständig mental auf um alle bei Laune zu halten. Naja, es dauerte wieder ne dreiviertel Stunde und erst der Arzt von der Aufnahme am Mittwoch (ich sag nur: Treffer) hatte Glück und langsam aber sicher füllten sich (wir unterhielten uns wieder blendend über Marilyn Manson und Rammstein, da beide Ärzte sicher nicht viel älter als ich waren) die unzähligen Fläschchen und konnten mit der Rettung gen Graz geschickt werden. Und am Schluss waren alle glücklich: Er hatte zum zweiten Mal Glück und sie konnte endlich nach Hause in ihr Bettchen.

 

Und dann die Gastro:

Zuerst waren sie erstaunt dass ich keine Sedierung will, dann, dass ich auch Bildschirmgucken will, der Arzt meinte skeptisch und ernst dreinblickend zu den Schwestern, ob das nicht zu hart sei…

Ich bekam ein Spray in den Schlund und dann schluckte ich unter Würgen den Schlauch, immer gebannt auf den Bildschirm starrend… ich würgte immer wieder und es fiel mir zuerst schwer durch die Nase zu atmen.

Viel zu interessant das ganze, schon wie damals beim ersten Katheder, alles viel zu interessant.

Irgendwann begann der Arzt zu erklären was was und wo ist, ich sah mein Herz durchpochen und das Beste: ALLES IN ORDNUNG!! Sogar meine Speiseröhre.

Ich lachte sogar ab und an, vor allem als er mir Fotos von meiner Magenschleimhaut machte.

 

 

Der Schlauch kam raus und alle waren erstaunt dass ich immer noch grinste und dann meinte: Tja, jahrelange Bulimie macht sich irgendwann bezahlt und im Schlucken war ich schon immer gut.

Der Arzt, ich sage nur Boxershort bzw. Guru Nummero 2, kam auch herein um zu gucken wies mir geht und ihm wurde sofort berichtet, dass ich die erste sei die zugucken wollte, was mich wiederum mit Stolz erfüllte, da ich erneut einen prägenden Eindruck hinterlassen habe und vielleicht doch nicht irgendwann total in Vergessenheit gerate. Toll, und nun sitz ich hier mit den beiden Schnappschüssen von meiner Magenschleimhaut und freue mich dass alles in Ordnung ist.

Ja, ich würgte schon aber es war nicht schlimm, ne, eigentlich, war es mir egal, denn ich konnte ja meinen Körper wieder mal ein Stück weit näher kennen lernen, was viel wichtiger für mich war.

Sie taten alle ganz besorgt und umsorgend, aber so schwach fühl ich mich eigentlich nicht. Und bei meiner Frage nach Trinken noch mehr Besorgnis. Nene, es geht schon wieder, war doch Pipifatz! Man muss manchmal was riskieren und probieren, ich fand es gelinde gesagt, um es mit der Sprache meiner Generation zu sagen, Cool!

Der Wasserkocher brodelt und ich freu mich auf meine Tabletten und eine heiße Kanne Grüntee Vanille.

 

Endlich trinken, meine Zimmergenossin verschollen, ich kann laut Musik hören und bin wohl die erste die direkt nach einer Gastro singt, ich hoffe, mich hört keiner. Das Vereisungsspray lässt nach aber was soll mich da als eingefleischter Bulimiker noch beeindrucken?

Makaber aber wahr…

Ich bin kurzfristig glücklich denn meine Speiseröhre hat keine Schäden durch meine „Verkotzten Tage“ genommen.


7. Mai 2005,Samstagvormittag

Warten, warten auf Visite, Entlassung, Durst auf Tee, Mittagessen und was noch anfällt.

Nach der Visite steht wieder fest, dass ich wieder einen Eindruck hinterlassen haben muss, da ich auf die Frage, was ich denn gegen den Schmerz im rechten Arm unternehmen soll, von der Ärztin geraten bekommen habe, den Arm mit einem Tuch ruhigzustellen, sie habe mich ja oft in der Onko gesehen und da hätte ich ja ständig ganz viele Tücher mit gehabt.

Und dann ist meine Zimmergenossin Ingrid weg, der einzige Grund warum ich wahrscheinlich so rasch wieder gut gelaunt war. Ich gönn’s ihr aber auf einmal steht hinter mir wieder eine Wand aus Stille, obwohl seit gestern noch jemand da ist, ich aber Probleme habe ihr gebrochenes Deutsch zu verstehen. Unsre Konversationen werden sich wohl auf Rezeptaustausch beschränken. Nebenbei erwähnt, der Polentaauflauf mit Kompott heute war fantastisch. Ich muss nur noch herausfinden, was da alles drinnen war.

Ja, es ist nun sehr still, von absolut albern rein ins Nichts.

Anstrengend.

Irgendwas ist gestorben.

Außerdem stinken meine Laufschuhe.

Wenn ich über den Flur gehe habe ich das Bedürfnis immer schneller zu werden bis ich laufe. Aber ich soll nun zwei Wochen Ruhe geben. Huch, ob ich das schaffe, zumal ich seit Tagen keine Waage mehr gesehen hab und mich nicht unbedingt wohl fühle mit dieser Ungewissheit.

Und eigentlich wollte ich ja heute kein Mittagessen zu mir nehmen.

Und und und…


8. Mai 2005, 9:45

Als alle gegangen waren , nein, als Ingrid gegangen war keimte in mir der Wunsch auch zu gehen. Um 21 Uhr fragten wir dann nach, naja, ich solle noch bis heute bleiben.

Heute bei der Visite meinte ich dann, das seien immerhin an die 15 Euro die ich spare, was drei Mittagessen gleichkäme.

„Aber sie bekommen doch was zurück.“

Ich: „Nein, ich muss alles voll bezahlen.“

Das leuchtete ein, ich solle morgen dann zum Hausarzt gehen und bekam für heute und morgen früh meine Spritzen. Ich sagte, ich würde sie dann zurückbringen.

Als ich sie jedoch von der Schwester bekam und dies versicherte, machte sie mir mit einer Handbewegung und einem verschwörerischen Grinsen klar, dass ich sie nur „Offiziell“ zurück bringen müsse.

Und dann kam noch Ingrid und die Wiedersehenfreude war überschwänglich, ich bekam eine Flasche mit supertollen Bio-Kernöl, und ich dachte mir, dass das eine Bekanntschaft ist, die nicht im Sand verlaufen solle!

Nunja, ich warte bis es Mittag ist und dann hat das hier endlich ein Ende.


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