25.
Dezember 2012, Dienstag 8:24, Überstanden und irgendwie doch nicht…
Hohl
und leer. Raus sehen und mich erinnern. Tut so weh…
Ich
weiß nicht, was ich fühlen soll. Alles so leer gespült, alles so
sinnlos, so zwecklos und ebenso, dies zu schreiben, mit immer
denselben Vokabeln.
Es
erscheint ebenso zwecklos, den Tag noch einmal Revue passieren zu
lassen. Dennoch…
Mein
Zustand verschlechterte sich, so belanglose Wege wie Bank zum Klo
oder gar Bank zum Sofa wurden zur Mammutaufgabe, schier
unüberwindbar. Doch im Krankenhaus anrufen? Wage ich es? In der
Hoffnung, dass meine Ärztin im Urlaub ist? Keinen Bock wieder eine
Woche im Krankenhaus zu liegen.
Ich
putzte und räumte und verschleuderte meine letzten Ressourcen. Zu
Mittag fuhren wir nach Jennersdorf, wollten noch ein paar kleine
Erledigungen tätigen und ich traf Tina mit Anhang. „Du siehst
ohnehin schlecht aus, so blass und blaue Lippen!“, und fügte noch
hinzu, dass meine Beschreibungen in den E-Mails für sie bereits nach
Schub geklungen hätten.
Immer
noch bleibt unklar, ob ich übermorgen zum Telefon greife.
Dann
zur Weihnachtsfeier bei meinem Bruder. Meine Eltern nervten
unendlich: „Bianca, willst du dies?“, „Bianca, willst du das?“
usw. und so fort. Mit gutem Grund versuchte ich mich so weit wie
möglich weg von ihnen zu setzen, hätten wir doch auch noch den
ganzen Abend miteinander vor uns.
Zusehen,
alsbald das Weite zu suchen, meinen Vater im Gepäck, den wir
nachhause fuhren. Es war nicht so schlimm, wie ich es befürchtet
hatte.
Zuhause,
Glotze an, „Das letzte Einhorn“-in Kindertagen mein absoluter
Lieblingsfilm!
Und
schon flennte sie wieder!
Jetzt
aber mal richtig! Alles brach heraus, die Ängste, der Zorn, die
Trauer...
BRING
DICH UM!!
Als
Sebastian runter kam, heulte ich immer noch. Und hinter all dem
steckt auch noch die Angst, dass mir ohnehin keiner helfen will,
geschweige denn es versuchen würde. Wieder einmal PSYCHO-Stempel auf
die Stirn geklatscht und abgefertigt. Und wenn zumindest ein Versuch
etwas daran ändern könnte?
Ich
musste zusehen, dass ich mich wieder einkriege, Eier kochen fürs
Abendessen...
Und
dann waren sie da. Meine Mutter brachte noch mehr Kekse mit, und
Nippes, mit dem ich ja so ganz und gar nichts anzufangen weiß, außer
es nicht wertzuschätzen und mich deswegen schlecht zu fühlen. Doch
auch meine Schwiegermutter würde ebenfalls darcysorgen. Es war nicht
so schlimm, wie ich es befürchtet hatte. Mein Vater gab ab und an
sarkastische Kommentare von sich, wenn meine Mutter wieder einmal
irgendwelche Storys erzählte. Und dabei hatte er auch noch Recht!
Eigentlich
unterhielten sich dann nur noch Sebastian und meine Mutter, mein
Vater und ich schwiegen, waren gelangweilt von den Familiendramen,
von denen meine Mutter zu berichten wusste, bzw. MUSSTE…
Kaum
waren meine Eltern weg, fing ich damit an meinen Arbeitsbereich
wiederherzustellen. Dann Bescherung. Das Nützlichliste in der Kiste
meiner Schwiegermutter war wohl das Katzenfutter. Von Sebastian bekam
ich einige Notfalleinkäufe und ich fühlte mich schlecht, dass ich
für die meisten keine Verwendung habe. Er wies mich zuvor noch
darauf hin, dass ich hier nicht all zu sehr über seine Geschenke
ablästern sollte. Das Hauptgeschenk (ein Profi-Computertischchen
fürs Sofa) hätte doch vollkommen ausgereicht.
Und
nun? Was mache ich nun?
Gestern…
Das wäre so ein PERFEKTER Lauftag gewesen. Das Thermometer meinte
17,9 °C gemessen zu haben.
Alles
kaputt!
Mein
Leben wertlos.
Und
als ich vorhin ein paar Wasserspritzer von der Leinwand wischte,
kommentierte Sebastian: „Ah! ERSTE Kontaktaufnahme mit dem Bild?“.
Ich
dazu kaltschnäuzig und knurrend: „Bild? Das ist kein Bild, das ist
ein Verbrechen!“.
So
eine kleine wertlose Leinwand, das makellose Weiß komplett versaut.
Ich bin scheiße, zu einfach NICHTS MEHR zu gebrauchen!
26.
Dezember 2012, Mittwoch 8:15, Ja? Nein? Oder doch? Oder nicht?...
Glotze...
Wolken...
Es soll heute regnen.
…wir
sind bei 8:44 angekommen.
Sebastian
ist hochgegangen, um die beiden Dachbodenkammern aufzuräumen. Ich
für meinen Teil hadere immer noch mit mir und meinen Plänen. Geht
es mir heute besser? Oder schlechter? Oder was?!
Markus
hatte die Idee, dass ich meinen Bruder voraus schicken sollte, also
IHN anrufen lassen sollte, IHN als Sanitäter, sollte sagen: „Ich
habe meine Schwester gesehen, die sieht gar nicht gut aus!“.
Wie
peinlich war mir das, als ich ihn dann auch noch anrief um ihn eben
darum zu bitten. Er meinte sodann, dass in den nächsten zwei Tage
ohnehin keine Neuroambulanz sei, wenn ich denke, dass es ein Notfall
ist, solle ich einfach hinfahren.
„Einfach
hinfahren“… ICH! Gerade ICH!
Neee!!
Abwarten.
Also noch einen ganzen Tag um an meinem Plan zu brüten, was gut oder
auch schlecht für mich ausgehen kann. Wahrlich keinen Bock mich ins
Krankenhaus zu legen, mich da einsperren zu lassen. Und doch will ich
Hilfe, am besten so wie früher, schnell, unkompliziert und vor allem
ambulant. Mich auch noch dafür bestrafen, das die
Medikamentenexperimente dafür gesorgt haben, dass meine Venen
komplett im Arsch sind. Das ist nicht fair!
WAS
ist schon fair?!
Abends
am Spiegel vorbeigeschlurft, nur noch in Unterhose, eben sofafertig,
und starrte entsetzt auf mein Spiegelbild: „Heilige Scheiße! Was
habe ich für fetten Schinken bekommen!“.
DU
BIST EINE FETTE, FAULE SAU GEWORDEN!
ICH
BIN EINE FETTE, FAULE SAU GEWORDEN!
Was
tut mehr weh? Es mir selbst einzugestehen oder wenn ER
es zu mir sagt?
Komme
mir vor wie eine Oma, die bis dato recht rüstig ihr Leben meistern
konnte, mit Oberschenkelhalsbruch ins Krankenhaus kommt und dort
binnen weniger Tage so stark abbaut, dass sie stirbt. Einfach so.
Warum
falle ich nicht tot um? SO OFT wie ich unfreiwillig zu Boden gehe?
Brav
am Bild weitergearbeitet, ein wenig Weltuntergangsstimmung einziehen
lassen in das ganze Szenario. Dagegen der kleine Kater, der ebenfalls
seinen Platz einnehmen durfte, richtig schön vital. Leben und Tod
nebeneinander-wie immer! Was anderes kann ich nicht oder was anderes
WILL ich nicht!
Morgens
im Bett… Sebastian mit seinem Tablet PC auf dem Bauch... Ich
schielte hinüber, wollte ein wenig mitlesen und durfte feststellen,
dass ich beim Blick zur Seite leicht doppelt sah.
Es
prompt noch einmal ausprobieren: Bei längerem Blick nach rechts
leichte Doppelbilder.
Ist
das neu? Oder war vorher schon da? Was weiß ich?!
Mich
kotzt alles an! Es widert mich an, dass der Kühlschrank bis zum
Bersten gefüllt ist, mit Lebensmitteln, die alsbald ablaufen werden.
Und der Gedanke, was sich noch für Berge an Keksen im Haus befinden,
führt zu Brechreiz.
Und
schon wie zu Beginn des Jahres und dem Beginn der Tablettentherapie
habe ich Reizhusten. ICH mit meinen Pferdelungen! Diejenige, die seit
Kindertagen keinen Husten mehr kannte…
Was
tu, was lasse ich?…
27.
Dezember 2012, Donnerstag 7:51
Halbfertig
hier sitzen. Und darüber nachdenken, welche Daten ich sichern
sollte, falls mir der PC geklaut wird...
Der
Transfer läuft und ich habe jetzt schon „Angst“. 7 nach 8- jetzt
schon?
Die
nette Dame am Telefon: „Da MÜSSEN Sie sogar kommen!“.
Damit
hab ich nicht gerechnet, NICHT nach der ersten Erfahrung im Juni, wo
man/bzw. Frau mich auf die lange Bank geschoben hatte.
Der
Flashback in der Aufwachphase, hallte nach, den ganzen Tag, Markus
meinte dazu: „Ich wusste, dass du einfach in Trance zu versetzen
bist.“. An beinah jedem Wort „blieb ich hängen“.
Kann
nicht mehr tippen...
Kaffee
trinken und ab ins Krankenhaus...
27.
Dezember 2012, Donnerstag, LKH1...
Kaum
noch ins Auto gestiegen, die Einfahrt runter, Flashback. Hätte ich
nicht die Strecke gesehen, gefühlt war ich Minuten weg!!! Nicht
bedrohlich, etwas beängstigend, luftraubend. Das Nachbeben dauerte,
doch der eigentliche, als SO ENDLOS empfundene Flashback dauerte nur
wenige gefahrene Meter.
Im
Krankenhaus ein junger, netter Arzt, machte das ganz lehrbuchhaft,
vielleicht ZU lehrbuchhaft: „Ein Schub wird so beschrieben, dass
sich eine Veränderung binnen 24-48 Stunden einstellt!“
Gut.
Er schlug Kortison und ein neues MRT vor.
Aufnahme
auf Station. Eine nette Ärztin, ungewöhnlich sympathisch, ich
meinte, sie hätte sich also noch nicht verderben lassen. Sie lachte,
sie würde es total wichtig finden, die Menschlichkeit zu behalten,
die Kranken seien ja nicht freiwillig hier und der Arzt an sich auch
irgendwie ein Dienstleister.
Und
da die Situation grad so locker war, konnte ich mir auf die Frage,
wer denn für mich zuständig sei, einfach nicht verkneifen, erst den
Namen zu nennen und dann noch hinzuzufügen, dass man in IHRER
Gegenwart regelmäßig Gefrierbrand bekäme. Sie lachte verstohlen.
Es
folgten noch einmal genaue Tests, dann kam der Chef, machte dieselben
ein drittes Mal. Danach der Schachbretttest. Um viertel 2 im Zimmer,
Markus angerufen, abgesagt, war mir peinlich.
Den
Internetstick bekam ich erst nicht auf, also die Kappe nicht ab, der
Deckel, um die SIM-Karte einzulegen ein ganz anderes Thema. Darum
kümmerten sich dann gleich drei Schwestern, nach einer Ewigkeit
geschafft und angesteckt der Hinweis der ältesten, dass es im Haus
ein Patientennetz gäbe „Internet am Krankenbett“. HAHA, sehr
früh, 50 Euro zum Fenster raus
Nachmittags
ein leichter Flashback.
Abends
bekam die Nachbarin Besuch von ihrem Mann, dick, anzügliche Witze.
Mir ekelte vor ihm, ich wurde depressiv, zeichnete noch etwas und
verzog mich dann aufs Bett und unter meine Kopfhörer, um heimlich zu
weinen. All die Vergewaltigungsszenen der letzte Tage in all den
Filmen waren zu viel.
Abends,
8 Uhr Licht aus, sehr witzig. Ich spielte mit dem Nintendo, um den
dritten Anfall zu bekommen. Heftig, schmerzhaft, angsteinflößend.
GRUSELIG!!!!
Schlafen?
NEIN!!!
Diverse Schnarcher, zu heiß im Bett, ich selbst aufgekratzt, dazu
dieser Automat, in dem die Spritze mit NaCl gespannt war und
stundenlang laufen sollte, was ich bis heute nicht kapiert hab. Und
der liebe Walter2.0 piepste unentwegt. Und wenn ich schlief passend
zum letzten Anfall grausiger Albträume...
28.
Dezember 2012, Freitag 7:12, LKH2...
Nach
1 Terror im Zimmer, lautes Schnarchen, drehten sich die älteren
Semester um, klang es, als würden sie zu Boden gehen, rauschend aus
dem Bett fallen.
Halb
5 schrie mein Automat zum 1000sten Male!!!! Also warum nicht wie
gewohnt blocken und abhängen?
Ich
wartete im Flur auf eine Schwester, die sich um das Geschrei
kümmerte. Ich machte doch nur nette Konversation, warum pflaumte sie
mich so an? Bekam gefühlt eine unfreundliche Antwort, die Frage nach
dem Kortison oder gar Plazebo erledigte sich damit.
8
nach 5 wieder sein Gekreisch. Nun pflaumte sie mich erst recht an,
warum ich den Infusomaten auf Standby gestellt habe? Ich hätte
gefälligst anzuläuten und im Zimmer zu warten...
...Bis
IRGENDWANN jemand KOMMT und alle 5 Mitinsassen wach sein „müssen“.
Ich
zog mich zurück in die hinterste Ecke des Flurs, zu einem Sitzplatz
und spielte mit meinem Klapperkasten, die gewaschenen Haare in
Strähnen tief ins Gesicht hängend, so sah man meine Tränen nicht.
Erst
klang das in meiner Birne noch so: „Soll DIE mal in MEINE Situation
kommen!!!“...' Und schlug rasch um in...
...DU
DUMME FOTZE!!! DU MACHST ABER AUCH GAR NICHTS RICHTIG!!!!
6:45-Waschdienst!
Wieder aufgeweckt aus Albträumen. Mit dem Auto in metertiefem,
frischem Asphalt versinken und dem Tode geweiht...
Migräne,
Mexalen, Flashback NR 1, Venflon legen, klappte nicht.
1,2,3...12
Mal oder mehr. Alles zerstochen.
Nach Neun, eine Schwester machte
Druck, wollte mich doch zum Termin abholen, aber kein Veflon. Der
Anruf und die Frage, ob der Port benutzt werden dürften, wurden
abgewiesen. Stattdessen musste die Gripper-Nadel raus. „Das tun wir
den anderen Patienten nicht an, oder?“, die junge Ärztin blinzelte
mir zu. Gegenüber ins Aufnahmezimmer, ein Anästhesiearzt wurde
gerufen, um es zu richten. Er stach zweimal und traf nicht. Ich bot
ihm den Hals an, wie schon so oft zuvor und er nahm sofort an. Zack,
den größten vorhandenen Venflon in die Halsvene, spülte, rutschte
ab und die Sauce spritzte fontänengleich aus dem Zugang. Schade, ich
hab's nicht gesehen nur ein Fleck auf dem Hemdkragen. Alle möglichen
Leute, Ärzte, Schwestern, beäugten dieses Kunstwerk, mit
verbissenen Gesicht...
Der
Termin wurde verschoben, erst Visite. Der Arzt meinte, heute noch mit
mir meine Befunde zu besprechen. Die Ankündigung des jungen Arztes
gestern, heute bei der Visite auf MEINE Ärztin treffen zu „dürfen“.
Was WAR ich froh, als sie NICHT mitbei war. KEINEN Bock auf NOCH MEHR
Frostbrand.
MRT
um dreiviertel 11. Drei kleine Flecken auf der MRT-Röhren-decke.
Kaffeespucke? Blutspritzer? Ich starrte ständig drauf. Und fragte
anschließend nach, was das sein könnte, der Dame war es peinlich,
war drauf und dran sogleich hinein zu kriechen und Klarschiff zu
machen.
Kein
Arzt tauchte auf.
Mittagessen.
Apfelstrudel in Vanillesauce. Mich mit der Zimmergenossin
unterhalten. Sie fragte mich, zwecks meiner Befürchtung, die
MRT-Bilder könnten wieder harmlos sein, WORIN denn nun genau das
Problem läge. Ich erzählte von dem Psychostempel, den die Ärzte
schon griffbereit in der Manteltasche haben und BUMMS! Zweiter
Anfall!!! Konnte meinen Satz nicht mehr zu Ende bringen... Oder doch?
Heftig!!!
Therapie
im Aufnahmezimmer, Markus schwor mich noch einmal drauf ein, dem
anderen Arzt, den ich als angenehm beschrieb, das mit dem Sativex zu
sagen. Bei der österreichischen MS-Gesellschaft nachgelesen. Diese
schrieb: „Sativex voraussichtlich bis Anfang 2012 in Österreich zu
erhalten!“.
Warum
sagt die nette Ärztin dann gewohnt arrogant, dass SIE als
MS-SPEZIALISTIN es doch als ERSTE wüsste....
PF!!!!
Sebastian
kam, kurzer Besuch.
Eine
meiner noch verbliebenen Zimmergenossinnen bestätigte mir, dass die
gute Schwester „Eine SCHARFE“ ist, sie empfand sie ebenfalls als
untragbar. Also doch nicht alles Hirngespinnst.
Gespräch.
Also warten bis morgen.
Tina
rief an, ein langes Gespräch.
Dann
nochmals mit Sebastian geskypet.
Versucht,
zu schlafen.
29.
Dezember 2012, Samstag 7:27, LKH3
Kurz
nach 7 kommt der Waschtrupp anmarschiert, Licht an, instabiler Schlaf
zu Ende. Aber geschlafen, total kaputt gewesen. Nicht zum Waschen
gekommen, hocke ich immer noch hier in meinem besudelten, miefenden
Hemd und hänge an der Flasche, ans Bett gefesselt, weil ich keinen
Infusomaten mehr abbekommen hab. Aber was tröstet: Die Flasche ist
WINZIG!! Wie war das immer? Kortison auf 500ml Kochsalzlösung und
über 2 Stunden...
Hm...
Das
waren jetzt keine 10min, Flasche intus und endlich abschrubben,
umziehen.
Gestern-
die Seelsorgerin quatschte sich an mir fest. Erzählte irgendwas von
innerem Licht, das wichtiger wäre, als die Findung der Fragen. PF!
Welches
Licht? Ich sehe nur Schwarz, Schleim, DRECK!!! Ergo brauche ich meine
Antworten, um mich von dem, was passiert ist, endlich differenzieren
zu können. Die gefühlte Täterrolle in mir ablegen zu können...
5
vor halb 9- Frühstück. Nachdem ich schon von unseren
Vanillekipferln verteilt habe...
Tratschen...
Auf
die Visite warten.
Warten...
nach 10.
Kurz
nach 11, Visite: Die Schnellinfusion deswegen, um die große Halsvene
nicht zu sehr zu strapazieren. MRT- kein Kontrastmittelenhancement.
Prall.
Meine Ärztin hätte sich wohl die Bilder -so seine Aussage- gestern
mit angesehen, nur das Vergleichsmaterial aus Oberwart fehlt. Was
soll denn DER Scheiß??? Tönte mein alte Ärztin nicht groß: „ICH
habe grad MÜHEVOLL ihre gesamten Daten durch Österreich
transferiert!“, als sei sie mit 50kg-Akten durch Österreich
marschiert... Und??? Hab ich den ganzen Mist nicht auch noch in
CD-Form MITGEBRACHT??? Die ganzen CDs? HAAA!!!
Also
keine frische Läsion. Na, da kann meine Neue gleich in ihr
Kittelsäckelchen greifen und ihren Stempel rausholen. Er meinte
dann, er wüsste nicht, ob ich sie noch sehen würde.
DANKE!!!
ICH PASSE!!!! Mir reicht der Termin im Februar. Das mit dem Sativex
solle ich ebenfalls mit ihr besprechen. JA!!! Wie oft denn noch???
Wenn es längst chefärztlich bewilligt zu bekommen ist und ich nun
dreimal noch gefragt hatte? NA????
Ich
sagte ihm auch, dass ich bei ihr das Gefühl hätte, mit einer Wand
zu sprechen. Er, dass er es so nur weitergeben könnte.
WUT!!!
Überschäumende WUT!!!
Und
mich aufschlitzen wollen...
Wie
mit Tina vereinbart anrufen; geht nicht ran.
Gefühlt
wird das nun erst RECHT ein langes, verschissenes Wochenende.
Therapie...
Letzte für die nächsten Tage...
Warten.
Langweilen. Teetrinken...
Tee
alle...
Nachmittags
geschlafen. Das Zimmer leerte, füllte sich aber um so schneller,
wieder zu 6. und ich das Küken mittendrinnen. Ich langweile mich,
will nach Hause auf mein Sofa, zum dummen Kater, will vor meine
Glotze und alles, was mir bleibt, ist: Saufen, saufen, saufen...
Zum
hundersten Male mit Sebastian geskypet... ich kann mich gut mit den
Genossinnen -teilweise- unterhalten, aber ich will nur noch weg!
Depri-
verstummt- flennen können.
Filmchen
gucken... Vom Laufen, vom Abbau...
Die
noch gebliebene Ü40 versucht mich aufzubauen, Mails hin und her
schicken...
21:10
Rein
und raus... alte Menschen, mir gegenüber diese Frau, wirkt wie
halbtot... Schöne Aussichten...
Ich
will sterben!
Die
Nacht wurde lang und es gibt noch Geräuschkulissen, die man SO noch
nicht kannte...
30.
Dezember 2012, Sonntag 7:33, LKH 4
….lange
Nacht und „die“ Geräusche. Die neue Nachbarin, über 90,
Dorfgenossin, schnarchte auf eine noch nie dagewesene Art und Weise.
Beim Ausatmen, als würde sie sich verflüssigen und beim Einatmen,
als würde sie aus dem modrigen Schleim wieder auferstehen. Gruselig.
Ich war erst nicht müde, dann, als es endlich vollbracht war, war
Schlafen unmöglich. Wälzen, drehen, 0:22 Uhr, Handy an, Musik schön
laut und das Problem, NICHT auf den Kopfhörern liegen zu können.
Und dann noch meine Laufmusik... Ich flennte schon wieder. JETZT eine
Klinge... BITTE!!!
Nach
1 kamen Schwestern, Kontrolle. Bin ich ein schlechter Mensch, weil
ich darum bat, ob man die Gute nicht zur Seite wenden könnte?
Ich
fühlte mich NOCH schuldiger, als sie sie kurzerhand aus dem Zimmer
verfrachteten und nebenan im Aufnahmezimmer abstellten. Doch nun
-nach längeren Gewissensbissen- war schlafen möglich. Kurz.
Irgendwann war sie unbemerkt zurückgekehrt, schnarchte weiter.
Arg...
Ging
Haarewaschen...
Blutdruck
110/77, Puls 64 bpm, Temperatur 37,2°C.
Mir
ging es nicht gut. Jetzt nicht anders. Die vermeintlichen
Verbesserungen an der Hand -futsch, die Gesichtsfarbe fahl und
ungesund, beinah grau.
Die
Nacht hat ihre Spuren hinterlassen...
Warten
aufs Frühstück.
Alles
schweigt, ist mir auch lieber. Ich konnte gestern nicht mehr zuhören,
die ältere Dame im Bett neben mir- ich verstehe sie so schlecht, und
teils ohne für mich ersichtlichen Bezug gibt sie für mich
zusammenhangslose Geschehnisse von sich... Ich KANN nicht mehr!!!
Und
es tut mir leid!!!!!!!!
BIN
SCHLECHT!!!
BIST
SCHLECHT!!!!
Der
Arzt meinte gestern: „Dreiviertel Stunde für die Infusion!“.
Läuft schon wieder viel zu lange, nachregulieren. Hab es satt... hab
alles satt...
Der
Venflon wurde abmontiert, sah schlecht aus.
Visite-
der coole Arzt vom Juni, scherzte herum, morgen würde ich gehen.
Dieses permanente Fingerstechen, macht mich nervös. Auch die doofen
und ernsten Blicke, als ich meinte, sie käme immer dann, wenn ich
gerade ein Vanillekipferl verdrückt hätte. Gar STRAFENDE Blicke,
als hätte ich Zucker!! Pf!
Das
Mittagessen viel zu mächtig, anschließend müde, doch unzählige
Besucher strömten in den Raum. Meiner brauchte etwas länger und wir
sahen zu, das Zimmer fluchtartig zu verlassen, ab in die Cafeteria.
Tina filmte, alles glotzte uns an.
Dann
gingen sie und ich wurde zwecks Blutzuckertest schon längst wieder
gesucht. Dass dieser nach Kakao und Limo zu hoch sein würde, mit
4000mg Kortison intus ist doch LOGISCH!
Ach,
mir stinkt alles, auch das einhändige Tippen, die Müdigkeit und die
bevorstehende Nacht UND die letzte Suchaktion nach einem Zugang für
die letzte Infusion.
Von
meiner kleinen Lieblingsschwester mit Wundbenzin abschrubben
lassen... Brennt und klebt immer noch...
Abends...
Die Gute, die gestern abends eingewiesen wurde und nach Sterben
aussah, rebelliert, will wissen, wo der Ausgang ist, will abhauen.
Bekommt
Besuch. So viele nette Menschen, und früher oder später schlagen
beinah alle Gespräche um und verlaufen sich in
Ausländerfeindlichkeit.
Hm....
31.
Dezember 2012, Montag 2:35, LKH5...
Mir
seit 1 Uhr morgens die Augen aus dem Kopf heulen.
Es
gibt kein Happy End mehr.
Zurückgezogen
in die letzte Ecke des langen Flures, wo ein Tischchen mit drei
Stühlen, zwischen zwei verwaisten Betten, einem Nachttischen und
einem Spezialstuhl zum Füttern für pflegebedürftige Patienten
stehen. Da sitz ich nun. Ein großes Stofftaschentuch in den linken
Leinenärmel gestopft.
Nein.
Es gibt NICHTS mehr, NICHTS wird folgen.
Aus
dem Fenster springen?
Irgendwann,
das Schnarchen hielt sich noch in Grenzen, versuchte auch ich zu
schlafen. Doch meine Nachbarin, die die letzten zwei Stunden damit
verbracht hatte wirres Zeug zu faseln, begann zu würgen, ich schrak
auf und kümmerte mich unverzüglich um sie. Die Schwester kam,
nachdem ich geläutet hatte. Doch ich war wieder wach und hatte
vielleicht eine Stunde mit Schlafen zugebracht. Ein neuer Versuch,
die Tür ging auf, Windel- und Bettzeugwechsel. Starrte blind auf die
Uhr und hoffte, es sei bereits 4.
Nein.
Kurz vor halb 1.
Das
Schnarchen in vollem Gange. Handy an, Laufmusik auf betäubende
Lautstärke,...
„Betäubend“...
Was für ein „wundervoller Schmerz“, bedarf keiner
Allheilsversprechen, keiner Motivationssprüche, keines „Anderen
geht es noch viel schlechter!“.
War
da, pur und rein und durfte sein, für einen Augenblick, ehe der
Kampf in meinem Schädel von neuem einen Anlauf nahm.
Da
liegen und weinen. Immer fort. Kein Lied, das es nicht verschlimmert
hätte.
„Alles
im Arsch!!!“. Kein Kortisontief, kein Depriloch, weder noch, kein
Durchhänger mit anschließendem Neuanfang. Wie immer. Wie eh und
je...
Aus.
Alles aus.
Kann
nicht mehr.
Glücklich
sein, jetzt in diesem Moment des Schlafentzuges und der
Aufgekratztheit durch das Kortison wundervoll und fließend tippen zu
können? Noch an IRGENDETWAS glauben?
WAS???
Es
ist düster, keiner da und keiner sieht mich weinen.
Etwas
Hartes. Drastisches. Klinge. Hart aufschlagen.
Psycho,
mach SCHLUSS!!!
Hab
geflennt, nachdem ich mich meiner Nachbarin wie selbstverständlich
angenommen hatte. Warum? Der erste Gedanke: „Warum bin ich so
schlecht???“, der zweite: „Könntest du das mit deiner Mutter
auch?“.
Empathielos,
ausgebrannt, DURCHgebrannt, verbraucht und kaputt. Mein Leben lang
alle Tränen vergossen.
„Alt
werden“... Will ich das? MUSS ich es?
Jetzt,
hier draußen, vor dem gekippten Fenster, läuft gleichwertig
deprimierende Musik, Aufschlitzklänge, Abschiedsklänge...
SPRING!!!
8
nach drei.
Es
ist kalt. Ich kann nicht zurück in dieses Zimmer. Zu meiner
„Zukunft“, dem latent vorherrschenden Geruch von Fäkalien. Kann
mich selbst doch schon nicht riechen. In den Aufenthaltsraum? Da sind
andere, schlaflose Patienten. Will nicht, kann nicht.
Einfach
nicht mehr sprechen, nict mehr funktionieren, nicht wie
selbstverständlich das Gefühl haben zu müssen, GEZWUNGEN zu sein,
zuzuhören. Wem oder was auch immer...
Ja,
gute Idee- zurück ins Bett, zur Laufmusik und DORT weitermachen, wo
DU aufgehört hast!!!
Ausharren.
Die
Musik wird immer drastischer. Eindrücklicher die Botschaft.
Kopfschmerzen.
Dennoch volle Lautstärke.
Bis
4 hier sitzen? Dann kapitulieren?
Verfall...
Fremder, mein eigener... Reicht der nicht schon? Nein? MIST? DRECK?
NICHTS WERT????? WERTLOS WIE ICH????
Verloren
wirkende Weihnachtsdekoration. Hässlich. Deplatziert.
An
den Weihnachtskrempel zu Hause denken...
Mich
selbst ankotzen, ins Gesicht spucken.
Jahr
zu Ende, Jahr vorbei, alles vergeudet, alles dem Abbau verschenkt.
„Aber
all die Aufmerksamkeit!“...
Alles
wertlos, ICH wertlos, SCHEISSE, DRECK!!!
Hatte
ich mich selbst jemals? Ja oder nein- hinfällig. Mich verloren.
Meine
Mutter will nachmittags vorbeikommen, ich will aber nicht. Ich KANN
aber nicht. Nicht auf „heile“ Welt machen, nicht meine kaputte
erneut mit ihrer teilen müssen, diese Blicke, diese Worte nicht
ertragen.
Ihr
nicht sagen, dass ich im Krankenhaus war.
Mich
ihr nicht mitteilen und SIE dabei auch nicht aushalten können. Nicht
jetzt! JETZT erst RECHT NICHT!!
Wer
erschießt mich? Stößt mich aus dem Fenster? Dritter Stock? Hoch
genug?
LASST
MICH IN RUHE!!!! ALLE!!!!
3:29
Uhr.
3:30
Uhr.
Kein
angestrengtes DAUERGEREDE, von WEM AUCH IMMER!!!!
3:32
Uhr.
Immer
dasselbe von dir geben, JAHREIN JAHRAUS!!!
Dann
mach es doch besser!!!
DANN
SPRING DOCH!!!
Verblassende
Wunden auf den Armen, schweigende Narben. Letztes Zeugnis von diesem
Jahr.
Ja!!!
GEH UND VERRECK DOCH!! Nimm eine Silvesterrakete und mach einen
Abflug, du BESCHISSENES JAHR!!
Undankbares
Miststück!!!
JETZT
zu Hause, JETZT alleine, und 10 funkelnagelneue Klingen...
3:38
Uhr.
3:56
Uhr. Wann kommt endlich jemand um mir zu sagen, dass ALLES WIEDER GUT
WIRD, damit ICH IHM DIE FRESSE POLIEREN KANN?????
Stattdessen
eine Schwester: „Schon auf?...“.
Hm...
7:23
Uhr...
Schlafen...
Man DARF nicht schlafen.
Die
Stimmung der einfallenden Schwestern nicht ertragen. Jene, die den
Blutdruck links misst: „Haben Sie da ein bisschen Neurodermitis?“.
Ich hätte sagen sollen: „Nein, aber Rasierklingen und die nötige
Portion Selbsthass!!!“.
Stattdessen:
„Selbstverletzendes Verhalten...“.
„Wie
bitte?“.
War
klar.
Schlager
läuft und macht die ganze Situation NOCH widerlicher!!!
Als
ich nach 4 das Zimmer betrat roch es dementsprechend belastend, ich
musste mein Gesicht unter der Decke verbergen, um atmen zu können.
Und jedes Mal wenn man schläft, kommt jemand.
Meine
Nerven sind bis zum Zerreißen angespannt- aber warum nicht gleich
den Text vom letzten Mal kopieren und hier einfügen.
Noch
einmal unter den Ärmel lugen: Wie kommt man DA auf Neurodermitis??
Ich
hasse soeben irgendwie alles und jeden und es tut mir leid, doch kann
man nicht einfach aufhören, mich anzuquatschen? BITTE???
Was
mach ich hier? WAS? Als die neuen Schwestern einfielen und ich wieder
so TAT als OB!!!
KOTZ!!!!!
Das
Lied ist so widerwärtig. Sie hört nicht auf zu reden, kann die
Kopfhörer nicht aufsetzen und die andren beiden schnarchen schon
wieder. Bitte! BITTE!!! Mach dem Scheiß ein ENDE!!!!
9:16
Junge
Ärztin, sticht zweimal, verzweifelt, zieht ab, verspricht die
Rückkehr oder Verstärkung.
Essen,
essen, essen...
Nach
12 Visite, andere Ärztin, sticht dreimal, droht schon mit Tabletten,
dann am Fuß.
Akku
der Kamera leer... Alles egal, nur raus hier....
Die
alte Anna im Bett neben mir weint. Es tut mir so leid, doch ich muss
nur noch WEG! WEG!! WEG!!!!
1.
Januar 2013, Dienstag 10:46, Überschrift? Titel? KOTZ!…
Warum
musste sie vorbeikommen? Warum wieder diese klassischen, dämlichen
Ansagen, Verhaltensmuster und WARUM VERDAMMT NOCH MAL HASSE
ICH DAS SO?????
Zur
Strafe für mein Verhalten, meine Gedanken, mein ganzes Sein in
meinem desolaten Zustand das Dezemberdokument überschrieben und nun
eine Ewigkeit damit zugebracht, es wiederherzustellen.
WIE
DUMM kann man eigentlich sein?
Ein
Junkie zu sein muss sich so ähnlich anfühlen. Aber ich zitiere
gerne für alle, die es noch nicht von mir gehört haben, die selbe
Scheiße noch einmal: „Aber Sie brauchen das Cortison doch
mittlerweile schon!“.
JA!
Weil es SO GUTE Laune macht und ich im Moment wie jedes Mal nicht
sagen kann, ob es mir nun nicht sogar noch schlechter geht als davor.
Den nicht mehr so kleinen Kater auf dem Schoß, er schnurrt und ich
habe Mühe, ihn festzuhalten. Das Sprachprogramm will nicht so wie
ich, versteht mich nicht… wie auch? Ich verstehe mich selbst nicht!
Wir
kamen also nachhause, ich am Durchdrehen, dieser Saustall, dieser
Dreck und diese Unordnung… egal wie: Ich MUSSTE putzen! Koste es
was es wolle. Und das war ein hoher Preis…
Mich
heillos kaputtgemacht, musste ins Schlafzimmer fliehen, hielt es dort
aber nicht aus, wieder zurück ins Wohnzimmer und angespannt darauf
warten, dass meine Mutter aufkreuzt, wie angekündigt.
Welch
Wonne! Es klingelte und in mir krümmte sich alles. Sebastian ließ
sie ins Haus, sie kam auf die für sie typische Art und Weise durch
den Flur geschlichen, mit den klassischen Kommentaren, wie ein
Auftritt auf eine Bühne, so was von ALBERN! Ich für meinen Teil
stülpte mich mittlerweile gefühlt in mich selbst hinein, die Arme
abwehrend vors Gesicht haltend. Und dann stand sie da und sprach mit
mir, als sei ich drei oder 99 und senil. Das ist ihre absonderliche
Strategie mich beschwichtigen zu wollen und ich könnte ihr dafür
jedes Mal entweder ins Gesicht springen oder sie ankotzen! Mit
wenigen, gebrochenen Worten stellte ich klar, dass ich im Krankenhaus
war und überhaupt keinen Nerv für dieses Theater hier hatte. Und
WIE sie sich an mich ran drückte, immer näher an mich ran, mich
berühren wollte, berühren MUSSTE! Ich hätte noch 20 Arme mehr
gebraucht um mich vor ihr zu schützen, konnte aber nur noch
stammeln, dass sie mich auf gar keinen Fall anfassen sollte. Doch
ihrer Nähe war schon zu nah!!
Wie
absurd war das denn nun schon wieder? Jetzt fing sie an, sich VOR MIR
mit Sebastian ÜBER MICH in der dritten Person zu unterhalten,
flüsterte: „Warum hat sie denn nichts gesagt? Hat sie einen
Schub?“, BLA BLA BLA!
AUSTICKEN!
LOSSCHREIEN!!!! UM MICH SCHLAGEN, IHR WEH TUN, SIE AUS DEM HAUS
JAGEN, ODER BESSER GLEICH SELBST WEGRENNEN!!!!
Mich
umbringen!
Wie
sehr kann eine Körperhaltung schreien: „Geh weg!“, bis der
Gemeinte es endlich kapiert??
Und
dann noch diese ganzen Geschenke, die sie wieder einmal mitgebracht
hatte!!
… Einen
klitzekleinen Moment der Unvernunft, eine Chance… mich längst
umgebracht!
Als
sie dann endlich ging, hielt sie an der Tür noch einmal inne,
schielte zu mir aufs Sofa und sagte: „Ich hab dich lieb!“. Und
ICH für meinen Teil hätte gerne geschrien: „Schön! Aber ich
hasse dich!“.
Sebastian
und Mutter aus dem Haus, Leben fuhr in meine zersplitterten Glieder,
wie von Sinnen jagte ich durchs ganze Haus, klapperte alle mir
vertrauten Verstecke ab, sammelte alles ein, was sich an
Selbstzerstörungsgrundlage finden ließ, vor allem das Auffinden der
neuen Packung war mir wichtig! Die beiden unterhielten sich draußen
noch und Sebastian erzählte später, sie hätte gemeint, dass SIE
das gespürt hätte.
JA!
Das Wundermirakel! Die „GROSSE Verbindung“ zwischen ihr und mir!
„Ich konnte die letzten Tage nicht schlafen...“, hätte sie
gesagt, weil es MIR schlecht gegangen wäre und sie das gespürt
hätte.
SO
EIN HUMBUG! WIR HATTEN VOLLMOND?!
Und
wie ich mich so in meinen Hasstiraden verlor, und dabei immer noch
versuchte zu differenzieren, was nun dem Cortison und WAS dem Knacks
in unserer Beziehung geschuldet sei, fühlte ich mich schlechter und
schlechter. Der Weg war vorgezeichnet.
Als
ich abends, während ich versuchte aus der alten Klinge noch etwas
rauszuholen, schon darüber nachdachte, was ich heute schreiben
würde, sah ich den Text vor meinem inneren Auge: Eine normale
Überschrift, gefolgt von „FETT, KURSIV, RECHTSBÜNDIG“. Als sei
ich gestorben und nur noch ER dürfte sprechen.
...und
nebenbei erwähnt verlässt mich die Geduld, dich ohnehin nicht
hatte; das Schreibprogramm nonstop zu korrigieren kostet mich den
nicht mehr vorhandenen letzten Nerv!…
Da
öffnet sich ein kleines Fenster in meinem Schädel, da schaut eine
kleine „Edith“ raus, mit schmerzverzerrtem Gesicht: „Ich will
doch immer nur das Beste für dich! Ich würde alles für dich
hergeben! Ich würde alles verkaufen, um dir zu helfen! Warum bist du
dann so grausam zu mir? WAS hab ich dir getan?“.
ICH
WEISS ES NICHT!!!! GEH ENDLICH AUS MEINEM SCHÄDEL RAUS! LASS MICH IN
RUHE! DU BIST DU UND ICH BIN ICH-PUNKT!
Mich
besinnen… Bin nicht ich es, die schlecht ist? Das liegt alles an
mir? SIE kann NICHTS dafür?
Jedes
Mal dieselbe Debatte! Wieder und wieder und wieder und wieder…
„Liebe
Mutter! Es tut mir leid! Ich bin einfach scheiße!“.
Nun
alles gesagt?
Ich
gehe auf Rückzug und sie kriecht noch renitenter hinterher. Warum
tut sie das? Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass ICH ihr
EIGENTUM bin? Warum sind ihre Worte einfach nur Schall und Rauch,
NICHTS, dem ich Wahrheitsgehalt zuschreiben kann? Zu lange und zu
intensiv gelitten unter der Vorstellung, sie stirbt und ich
automatisch sterben muss? Und dann später, um mich einfach wieder
und wieder zu bestrafen, sie sterben sehen zu müssen?
Warum
ist ihre mütterliche Liebe für mich gefühlt mit so viel Ekel
verbunden?
Und
höre nonstop strafende Worte von „Außenstehenden“: „DU bist
so selbstsüchtig! DU denkst, dass DU etwas Besseres bist, als deine
Eltern! DU bist einfach nur undankbar!“.
Außenstehende
oder einfach nur mein innerer „Freund“. Das betreffend scheint es
keine Grenzen mehr zu geben…
Ich
kann nicht mehr…
Und
die Sonne knallt durchs Fenster, blendet mich, mir ist schlecht, ich
bin schlecht, in Einzelteile zerlegt, wertlos. Kann nicht sein, darf
nicht sein. Demnach bin ich nicht!
Vor
dem Klo angepinkelt. Das Gesicht mit eiskaltem Wasser gewaschen. Die
Gedanken werden trotzdem nicht klarer.
Und
weiter geht das endlose Drama: SIE sagt, ich sei NIE eine Puppe für
sie gewesen-ich fühle mich aber so.
Mir
selbst auf den Schädel einhämmern: HÖR AUF! HÖR AUF! HÖR AUF! ES
LANGT!
Den
Vorhang vorziehen und damit die Sonne ausknipsen.
Alles
gesagt? ZU VIEL gesagt? Grundlos verletzt? Wie immer? Mund aufgemacht
und Scheiße kam heraus…
Der
ganze Leib zittert. Die Welt um mich rum für die nächsten zwei
Wochen komplett abschalten… Zu viel verlangt?
Und
am Ende bleiben immer noch elf nagelneue Klingen…
2.
Januar 2013, Mittwoch 9:05, Wertloses Leben…
Ich
bin fahrig, torkle, vermag nicht mich zu artikulieren. Und in diesem
Zustand in der Krankenhausverwaltung anrufen, um mein Vorliegen
vorzubringen. Über das Wort „Vorliegen“ stolpern und nicht mehr
wissen, ob das tatsächlich ein Wort ist oder nicht. Ich sehe
doppelt, gar dreifach wenn man so will. Draußen Nebel. Alles worüber
ich nur noch nachdenken kann ist mein Selbstmord. Wie, wann, wo?...
Sebastian
hat heute Journaldienst, sitzt vormittags in der Firma. Ich bin
allein. Ich vermochte kaum das Bett zu verlassen, doch ich sah mich
aus mehrerlei Gründen dazu gezwungen. Erst der Anruf im Krankenhaus,
um noch rechtzeitig zu verhindern, dass mein Vater erneut die
Rechnung geschickt bekommt. Was für einen abgedrehten Eindruck muss
ich vermitteln, in dieser Verfassung, in der ich mich nun leider
befinde? Ein wenig „verrückt“?
Ach
ja… das Krankenhaus hatte ich ja bereits erwähnt.
Dumme
Kuh!
Der
Weihnachtsbaum beleuchtet, keine Ahnung, warum Sebastian diesen nun
schon morgens einschaltet. Um es auszukosten, weil er ohnehin bald
rausfliegen muss?
Auf
der Terrasse auf dem Tisch sitzt Paul, zusammengekauert und döst.
Mein Tisch soweit leergeräumt, dass ich anschließend zur Tat
schreiten kann. Das kleine Frotteetuch, die Dose mit den
Klingen-vornehmlich alte-und unten drunter noch eine letzte neue aus
der letzten Packung. Ein Briefchen also noch.
Die
Augen fallen zu…
Nun
ist es hell, die Welt da draußen hat eine Form. Doch abends?
Ich
will nicht mehr. Nicht mehr SO weitermachen. Ständig im Hinterkopf,
WAS ich doch für ein MONSTER bin, die armen Eltern, die armen
Menschen um mich rum…
Es
wird sich ändern? Ja? In welche Richtung? Dass ich wieder
funktioniere? Damit es allen anderen wieder besser mit mir geht, man
mich wieder aushalten kann? Wer fragt mich?
Das
Leben hängt an so einem seidenen Faden, es wäre so einfach…
Ein
Leben in Abhängigkeit. „Machst du mir bitte das? Und DAS
vielleicht auch noch? Bitte?“. Unfähig, die einfachsten Handgriffe
zu tätigen. Es ist sinnlos.
Meine
Stimme gebrochen, Hitzewallungen, vermeintlich ruhig hier sitzen und
dabei innerlich beben.
Ins
Auto steigen, weit weg fahren, mir einen hübschen Bahngleis
aussuchen und warten…
Jeder
Mensch hat das Recht zu leben.
Warum
dann nicht auch das Recht zu sterben?
Die
Hasstiraden im Hintergrund erspare ich mir...
„Die
Depression kommt vom Cortison!“.
Nein...
DAS denke ich nicht.
Aufgegeben,
das Handtuch geworfen.
Und
wie selbstverständlich erscheinen jegliche Erinnerungen an meine
Kindheit im Moment so plastisch, so real, so greifbar… Als könnte
ich tatsächlich in der Zeit zurückreisen. Und als hätte ich schon
damals eine Verbindung zu diesem JETZT besessen, als sei die Zeit ein
Weg, den man vor und zurück gehen kann, wie einem eben beliebt.
Ich
habe vergessen, warum DAS nun der Grund ist, der ein vorzeitiges
Ableben rechtfertigt. Vielleicht deswegen, weil nichts anderes mehr
folgen wird?
Den
restlichen Kaffee noch einmal in der Mikrowelle heiß zu machen
erscheint absurd…
Dennoch...
Zittern…
Nebel.
Ich konnte das schleimige Grinsen der Sonne ohnehin nicht mehr
ertragen.
Wie
viel Zeit bleibt mir noch?
Die
letzte Klinge aus ihrem kleinen Kuvert packen...
Kalte
Luft in den Raum… Raureif und Nebel. Da draußen… Undurchsichtig,
kalt und tot... So wie DAS, was sich mein Innenleben schimpft. Der
Ruf eines Schwarzspechtes hallt durch den Wald. Zähne geputzt, Haare
gemacht, Gesicht gewaschen- die Gedanken werden dennoch nicht klarer.
10:23
Die
Vögel gefüttert und mich sodann auf die kalte Treppe gesetzt.
Stille.
Sebastian
wird kommen, bringt Leben mit sich, das ich nicht ertrage. Die Glotze
wird laufen, er wird sprechen, husten, sich räuspern, lachen... Und
ich werde erneut daran denken müssen, mit was er mich hier
zurücklässt… Und erst alle anderen! All diese Geschenke, dieser
Kleinkram, dieser BALLAST, der rumsteht, nicht ohne schlechtes
Gewissen weggeworfen werden kann… warum tut man das? Mich
absichtlich foltern? Accessoires, Dekoration, Klimbim! WARUM diesen
ganzen Scheiß sammeln? Horten? Ich kann nicht! Lieber sterben, als
damit zurückgelassen zu werden!
Allein
mit meinen Gedanken auf der Treppe, Hel flog vorbei... Ein altes Ei
in ihr Tellerchen gelegt.
Soll
ich nun dankbar sein, dass Sebastian den Dachboden aufgeräumt hat
bevor ich ins Krankenhaus kam und ich mir nun nicht wie gewöhnlich
auch darum Gedanken machen muss? So sehr, dass ich mir die Haare
ausrupfen könnte? Wie jedes Mal?
Eine
alte Klinge… schnitt sich wie ein heißes Messer durch Butter, als
ich damit ein Paket zu öffnen versuchte. Darin Allerlei… Dinge,
die man gebrauchen, aber vor allem auch verbrauchen kann. Kein
Ballast, kein Müll, nichts, das belasten würde. Auf Zeit vorhanden
und dann eben weg. Danke…
Und
diese alte Klinge inspirierte mich. Die neue Klinge- ich vermochte
kaum sie zu halten-hatte dieselben Vorzüge. Der Arm ist taub, ich
spüre ihn nicht, ich spüre MICH nicht. Eben wie ein heißes Messer
durch Butter… Doch wieder zu viel Vernunft? Angst?
Verfickter
Hosenschisser!!!
Oder
einfach nur keine Kraft in den Fingern?
FAULE
AUSREDE!!
Ein
kleines Missgeschick… Einmal abrutschen…
ABER
NICHT EINMAL DAFÜR ZU GEBRAUCHEN, DU UNFÄHIGES STÜCK DRECK!!
Klopapier
auf die Wundfläche geklebt. Strumpf darüber gestreift.
UND
DAS SOLL ES NUN GEWESEN SEIN, DU FEIGE SAU?!!
Nebel…
Immer noch still. Kann es nicht so bleiben? Neben mir die
Leinwand-unfertig. Ist sinnlos. Aussage steht gegen Aussage, für
mich gibt es keine Antworten, keine Erlösung, die Symbolik dreht
sich im Kreis und ist wertlos, weil längst abgenutzt. Wo bleiben
denn nun die Erinnerungen, die nötig wären, um das innere Bild
fertig zu zeichnen?
Dieses
Püppchen… Dieses kleine, fragile und dem Untergang geweihte
Püppchen… Ein wenig Blut im Schritt, die Augen hohl und leer. Ins
Hirn gepflanzte Bilder?
Und
wie sinnlos erschien das gestern, den Kalender für dieses Jahr
aufzusetzen. Ich dachte wieder nur, dass Sterben einfacher wäre als
mir diesen ganzen Mist schon wieder antun zu müssen. Lohnt sich doch
alles nicht mehr! Und als ich dann noch sah, in zwei Wochen ein
Frauenarzttermin zu haben, reagierte ich heftig. Weggelaufen in
meiner Situation ohnehin keine Option mehr. Aber mich umzubringen, um
nicht wieder und wieder diesem Mist ausgesetzt sein zu müssen…
Ist
das ein Zeichen? Kann, bzw. DARF mir das irgendetwas sagen? Hab meine
Tage. In Zusammenarbeit mit dem Cortison fühlt es sich noch
unerträglicher an, noch widerwärtiger, WILL das da unten alles
nicht mehr, rausschneiden oder mich selbst AUS dem Leben schneiden!
Mir
wird schlecht… Es genügt schon, an meinen Unterleib zu denken,
doch ihn dann auch noch spüren zu müssen?… Wohin mit mir?