25. Dezember 2012, Dienstag 8:24, Überstanden und irgendwie doch nicht…
Hohl und leer. Raus sehen und mich erinnern. Tut so weh…
Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Alles so leer gespült, alles so sinnlos, so zwecklos und ebenso, dies zu schreiben, mit immer denselben Vokabeln.
Es erscheint ebenso zwecklos, den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen. Dennoch…
Mein Zustand verschlechterte sich, so belanglose Wege wie Bank zum Klo oder gar Bank zum Sofa wurden zur Mammutaufgabe, schier unüberwindbar. Doch im Krankenhaus anrufen? Wage ich es? In der Hoffnung, dass meine Ärztin im Urlaub ist? Keinen Bock wieder eine Woche im Krankenhaus zu liegen.
Ich putzte und räumte und verschleuderte meine letzten Ressourcen. Zu Mittag fuhren wir nach Jennersdorf, wollten noch ein paar kleine Erledigungen tätigen und ich traf Tina mit Anhang. „Du siehst ohnehin schlecht aus, so blass und blaue Lippen!“, und fügte noch hinzu, dass meine Beschreibungen in den E-Mails für sie bereits nach Schub geklungen hätten.
Immer noch bleibt unklar, ob ich übermorgen zum Telefon greife.
Dann zur Weihnachtsfeier bei meinem Bruder. Meine Eltern nervten unendlich: „Bianca, willst du dies?“, „Bianca, willst du das?“ usw. und so fort. Mit gutem Grund versuchte ich mich so weit wie möglich weg von ihnen zu setzen, hätten wir doch auch noch den ganzen Abend miteinander vor uns.
Zusehen, alsbald das Weite zu suchen, meinen Vater im Gepäck, den wir nachhause fuhren. Es war nicht so schlimm, wie ich es befürchtet hatte.
Zuhause, Glotze an, „Das letzte Einhorn“-in Kindertagen mein absoluter Lieblingsfilm!
Und schon flennte sie wieder!
Jetzt aber mal richtig! Alles brach heraus, die Ängste, der Zorn, die Trauer...
BRING DICH UM!!
Als Sebastian runter kam, heulte ich immer noch. Und hinter all dem steckt auch noch die Angst, dass mir ohnehin keiner helfen will, geschweige denn es versuchen würde. Wieder einmal PSYCHO-Stempel auf die Stirn geklatscht und abgefertigt. Und wenn zumindest ein Versuch etwas daran ändern könnte?
Ich musste zusehen, dass ich mich wieder einkriege, Eier kochen fürs Abendessen...
Und dann waren sie da. Meine Mutter brachte noch mehr Kekse mit, und Nippes, mit dem ich ja so ganz und gar nichts anzufangen weiß, außer es nicht wertzuschätzen und mich deswegen schlecht zu fühlen. Doch auch meine Schwiegermutter würde ebenfalls darcysorgen. Es war nicht so schlimm, wie ich es befürchtet hatte. Mein Vater gab ab und an sarkastische Kommentare von sich, wenn meine Mutter wieder einmal irgendwelche Storys erzählte. Und dabei hatte er auch noch Recht!
Eigentlich unterhielten sich dann nur noch Sebastian und meine Mutter, mein Vater und ich schwiegen, waren gelangweilt von den Familiendramen, von denen meine Mutter zu berichten wusste, bzw. MUSSTE…
Kaum waren meine Eltern weg, fing ich damit an meinen Arbeitsbereich wiederherzustellen. Dann Bescherung. Das Nützlichliste in der Kiste meiner Schwiegermutter war wohl das Katzenfutter. Von Sebastian bekam ich einige Notfalleinkäufe und ich fühlte mich schlecht, dass ich für die meisten keine Verwendung habe. Er wies mich zuvor noch darauf hin, dass ich hier nicht all zu sehr über seine Geschenke ablästern sollte. Das Hauptgeschenk (ein Profi-Computertischchen fürs Sofa) hätte doch vollkommen ausgereicht.

Und nun? Was mache ich nun?
Gestern… Das wäre so ein PERFEKTER Lauftag gewesen. Das Thermometer meinte 17,9 °C gemessen zu haben.
Alles kaputt!
Mein Leben wertlos.
Und als ich vorhin ein paar Wasserspritzer von der Leinwand wischte, kommentierte Sebastian: „Ah! ERSTE Kontaktaufnahme mit dem Bild?“.
Ich dazu kaltschnäuzig und knurrend: „Bild? Das ist kein Bild, das ist ein Verbrechen!“.
So eine kleine wertlose Leinwand, das makellose Weiß komplett versaut. Ich bin scheiße, zu einfach NICHTS MEHR zu gebrauchen!

26. Dezember 2012, Mittwoch 8:15, Ja? Nein? Oder doch? Oder nicht?...
Glotze...
Wolken... Es soll heute regnen.
wir sind bei 8:44 angekommen.
Sebastian ist hochgegangen, um die beiden Dachbodenkammern aufzuräumen. Ich für meinen Teil hadere immer noch mit mir und meinen Plänen. Geht es mir heute besser? Oder schlechter? Oder was?!
Markus hatte die Idee, dass ich meinen Bruder voraus schicken sollte, also IHN anrufen lassen sollte, IHN als Sanitäter, sollte sagen: „Ich habe meine Schwester gesehen, die sieht gar nicht gut aus!“.
Wie peinlich war mir das, als ich ihn dann auch noch anrief um ihn eben darum zu bitten. Er meinte sodann, dass in den nächsten zwei Tage ohnehin keine Neuroambulanz sei, wenn ich denke, dass es ein Notfall ist, solle ich einfach hinfahren.
Einfach hinfahren“… ICH! Gerade ICH!
Neee!!
Abwarten. Also noch einen ganzen Tag um an meinem Plan zu brüten, was gut oder auch schlecht für mich ausgehen kann. Wahrlich keinen Bock mich ins Krankenhaus zu legen, mich da einsperren zu lassen. Und doch will ich Hilfe, am besten so wie früher, schnell, unkompliziert und vor allem ambulant. Mich auch noch dafür bestrafen, das die Medikamentenexperimente dafür gesorgt haben, dass meine Venen komplett im Arsch sind. Das ist nicht fair!
WAS ist schon fair?!

Abends am Spiegel vorbeigeschlurft, nur noch in Unterhose, eben sofafertig, und starrte entsetzt auf mein Spiegelbild: „Heilige Scheiße! Was habe ich für fetten Schinken bekommen!“.
DU BIST EINE FETTE, FAULE SAU GEWORDEN!
ICH BIN EINE FETTE, FAULE SAU GEWORDEN!
Was tut mehr weh? Es mir selbst einzugestehen oder wenn ER es zu mir sagt?
Komme mir vor wie eine Oma, die bis dato recht rüstig ihr Leben meistern konnte, mit Oberschenkelhalsbruch ins Krankenhaus kommt und dort binnen weniger Tage so stark abbaut, dass sie stirbt. Einfach so.
Warum falle ich nicht tot um? SO OFT wie ich unfreiwillig zu Boden gehe?

Brav am Bild weitergearbeitet, ein wenig Weltuntergangsstimmung einziehen lassen in das ganze Szenario. Dagegen der kleine Kater, der ebenfalls seinen Platz einnehmen durfte, richtig schön vital. Leben und Tod nebeneinander-wie immer! Was anderes kann ich nicht oder was anderes WILL ich nicht!

Morgens im Bett… Sebastian mit seinem Tablet PC auf dem Bauch... Ich schielte hinüber, wollte ein wenig mitlesen und durfte feststellen, dass ich beim Blick zur Seite leicht doppelt sah.
Es prompt noch einmal ausprobieren: Bei längerem Blick nach rechts leichte Doppelbilder.
Ist das neu? Oder war vorher schon da? Was weiß ich?!
Mich kotzt alles an! Es widert mich an, dass der Kühlschrank bis zum Bersten gefüllt ist, mit Lebensmitteln, die alsbald ablaufen werden. Und der Gedanke, was sich noch für Berge an Keksen im Haus befinden, führt zu Brechreiz.
Und schon wie zu Beginn des Jahres und dem Beginn der Tablettentherapie habe ich Reizhusten. ICH mit meinen Pferdelungen! Diejenige, die seit Kindertagen keinen Husten mehr kannte…
Was tu, was lasse ich?…

27. Dezember 2012, Donnerstag 7:51
Halbfertig hier sitzen. Und darüber nachdenken, welche Daten ich sichern sollte, falls mir der PC geklaut wird...
Der Transfer läuft und ich habe jetzt schon „Angst“. 7 nach 8- jetzt schon?

Die nette Dame am Telefon: „Da MÜSSEN Sie sogar kommen!“.
Damit hab ich nicht gerechnet, NICHT nach der ersten Erfahrung im Juni, wo man/bzw. Frau mich auf die lange Bank geschoben hatte.

Der Flashback in der Aufwachphase, hallte nach, den ganzen Tag, Markus meinte dazu: „Ich wusste, dass du einfach in Trance zu versetzen bist.“. An beinah jedem Wort „blieb ich hängen“.
Kann nicht mehr tippen...
Kaffee trinken und ab ins Krankenhaus...

27. Dezember 2012, Donnerstag, LKH1...
Kaum noch ins Auto gestiegen, die Einfahrt runter, Flashback. Hätte ich nicht die Strecke gesehen, gefühlt war ich Minuten weg!!! Nicht bedrohlich, etwas beängstigend, luftraubend. Das Nachbeben dauerte, doch der eigentliche, als SO ENDLOS empfundene Flashback dauerte nur wenige gefahrene Meter.
Im Krankenhaus ein junger, netter Arzt, machte das ganz lehrbuchhaft, vielleicht ZU lehrbuchhaft: „Ein Schub wird so beschrieben, dass sich eine Veränderung binnen 24-48 Stunden einstellt!“
Gut. Er schlug Kortison und ein neues MRT vor.
Aufnahme auf Station. Eine nette Ärztin, ungewöhnlich sympathisch, ich meinte, sie hätte sich also noch nicht verderben lassen. Sie lachte, sie würde es total wichtig finden, die Menschlichkeit zu behalten, die Kranken seien ja nicht freiwillig hier und der Arzt an sich auch irgendwie ein Dienstleister.
Und da die Situation grad so locker war, konnte ich mir auf die Frage, wer denn für mich zuständig sei, einfach nicht verkneifen, erst den Namen zu nennen und dann noch hinzuzufügen, dass man in IHRER Gegenwart regelmäßig Gefrierbrand bekäme. Sie lachte verstohlen.
Es folgten noch einmal genaue Tests, dann kam der Chef, machte dieselben ein drittes Mal. Danach der Schachbretttest. Um viertel 2 im Zimmer, Markus angerufen, abgesagt, war mir peinlich.
Den Internetstick bekam ich erst nicht auf, also die Kappe nicht ab, der Deckel, um die SIM-Karte einzulegen ein ganz anderes Thema. Darum kümmerten sich dann gleich drei Schwestern, nach einer Ewigkeit geschafft und angesteckt der Hinweis der ältesten, dass es im Haus ein Patientennetz gäbe „Internet am Krankenbett“. HAHA, sehr früh, 50 Euro zum Fenster raus
Nachmittags ein leichter Flashback.

Abends bekam die Nachbarin Besuch von ihrem Mann, dick, anzügliche Witze. Mir ekelte vor ihm, ich wurde depressiv, zeichnete noch etwas und verzog mich dann aufs Bett und unter meine Kopfhörer, um heimlich zu weinen. All die Vergewaltigungsszenen der letzte Tage in all den Filmen waren zu viel.



Abends, 8 Uhr Licht aus, sehr witzig. Ich spielte mit dem Nintendo, um den dritten Anfall zu bekommen. Heftig, schmerzhaft, angsteinflößend. GRUSELIG!!!!
Schlafen?
NEIN!!! Diverse Schnarcher, zu heiß im Bett, ich selbst aufgekratzt, dazu dieser Automat, in dem die Spritze mit NaCl gespannt war und stundenlang laufen sollte, was ich bis heute nicht kapiert hab. Und der liebe Walter2.0 piepste unentwegt. Und wenn ich schlief passend zum letzten Anfall grausiger Albträume...

28. Dezember 2012, Freitag 7:12, LKH2...
Nach 1 Terror im Zimmer, lautes Schnarchen, drehten sich die älteren Semester um, klang es, als würden sie zu Boden gehen, rauschend aus dem Bett fallen.
Halb 5 schrie mein Automat zum 1000sten Male!!!! Also warum nicht wie gewohnt blocken und abhängen?
Ich wartete im Flur auf eine Schwester, die sich um das Geschrei kümmerte. Ich machte doch nur nette Konversation, warum pflaumte sie mich so an? Bekam gefühlt eine unfreundliche Antwort, die Frage nach dem Kortison oder gar Plazebo erledigte sich damit.
8 nach 5 wieder sein Gekreisch. Nun pflaumte sie mich erst recht an, warum ich den Infusomaten auf Standby gestellt habe? Ich hätte gefälligst anzuläuten und im Zimmer zu warten...
...Bis IRGENDWANN jemand KOMMT und alle 5 Mitinsassen wach sein „müssen“.
Ich zog mich zurück in die hinterste Ecke des Flurs, zu einem Sitzplatz und spielte mit meinem Klapperkasten, die gewaschenen Haare in Strähnen tief ins Gesicht hängend, so sah man meine Tränen nicht.
Erst klang das in meiner Birne noch so: „Soll DIE mal in MEINE Situation kommen!!!“...'
Und schlug rasch um in...

...DU DUMME FOTZE!!! DU MACHST ABER AUCH GAR NICHTS RICHTIG!!!!
6:45-Waschdienst! Wieder aufgeweckt aus Albträumen. Mit dem Auto in metertiefem, frischem Asphalt versinken und dem Tode geweiht...
Migräne, Mexalen, Flashback NR 1, Venflon legen, klappte nicht.
1,2,3...12 Mal oder mehr. Alles zerstochen.



Nach Neun, eine Schwester machte Druck, wollte mich doch zum Termin abholen, aber kein Veflon. Der Anruf und die Frage, ob der Port benutzt werden dürften, wurden abgewiesen. Stattdessen musste die Gripper-Nadel raus. „Das tun wir den anderen Patienten nicht an, oder?“, die junge Ärztin blinzelte mir zu. Gegenüber ins Aufnahmezimmer, ein Anästhesiearzt wurde gerufen, um es zu richten. Er stach zweimal und traf nicht. Ich bot ihm den Hals an, wie schon so oft zuvor und er nahm sofort an. Zack, den größten vorhandenen Venflon in die Halsvene, spülte, rutschte ab und die Sauce spritzte fontänengleich aus dem Zugang. Schade, ich hab's nicht gesehen nur ein Fleck auf dem Hemdkragen. Alle möglichen Leute, Ärzte, Schwestern, beäugten dieses Kunstwerk, mit verbissenen Gesicht...


Venflon am Hals

Der Termin wurde verschoben, erst Visite. Der Arzt meinte, heute noch mit mir meine Befunde zu besprechen. Die Ankündigung des jungen Arztes gestern, heute bei der Visite auf MEINE Ärztin treffen zu „dürfen“. Was WAR ich froh, als sie NICHT mitbei war. KEINEN Bock auf NOCH MEHR Frostbrand.
MRT um dreiviertel 11. Drei kleine Flecken auf der MRT-Röhren-decke. Kaffeespucke? Blutspritzer? Ich starrte ständig drauf. Und fragte anschließend nach, was das sein könnte, der Dame war es peinlich, war drauf und dran sogleich hinein zu kriechen und Klarschiff zu machen.
Kein Arzt tauchte auf.
Mittagessen. Apfelstrudel in Vanillesauce. Mich mit der Zimmergenossin unterhalten. Sie fragte mich, zwecks meiner Befürchtung, die MRT-Bilder könnten wieder harmlos sein, WORIN denn nun genau das Problem läge. Ich erzählte von dem Psychostempel, den die Ärzte schon griffbereit in der Manteltasche haben und BUMMS! Zweiter Anfall!!! Konnte meinen Satz nicht mehr zu Ende bringen... Oder doch?
Heftig!!!
Therapie im Aufnahmezimmer, Markus schwor mich noch einmal drauf ein, dem anderen Arzt, den ich als angenehm beschrieb, das mit dem Sativex zu sagen. Bei der österreichischen MS-Gesellschaft nachgelesen. Diese schrieb: „Sativex voraussichtlich bis Anfang 2012 in Österreich zu erhalten!“.
Warum sagt die nette Ärztin dann gewohnt arrogant, dass SIE als MS-SPEZIALISTIN es doch als ERSTE wüsste....
PF!!!!
Sebastian kam, kurzer Besuch.
Eine meiner noch verbliebenen Zimmergenossinnen bestätigte mir, dass die gute Schwester „Eine SCHARFE“ ist, sie empfand sie ebenfalls als untragbar. Also doch nicht alles Hirngespinnst.
Gespräch. Also warten bis morgen.
Tina rief an, ein langes Gespräch.
Dann nochmals mit Sebastian geskypet.
Versucht, zu schlafen.


29. Dezember 2012, Samstag 7:27, LKH3
Kurz nach 7 kommt der Waschtrupp anmarschiert, Licht an, instabiler Schlaf zu Ende. Aber geschlafen, total kaputt gewesen. Nicht zum Waschen gekommen, hocke ich immer noch hier in meinem besudelten, miefenden Hemd und hänge an der Flasche, ans Bett gefesselt, weil ich keinen Infusomaten mehr abbekommen hab. Aber was tröstet: Die Flasche ist WINZIG!! Wie war das immer? Kortison auf 500ml Kochsalzlösung und über 2 Stunden...
Hm...
Das waren jetzt keine 10min, Flasche intus und endlich abschrubben, umziehen.
Gestern- die Seelsorgerin quatschte sich an mir fest. Erzählte irgendwas von innerem Licht, das wichtiger wäre, als die Findung der Fragen. PF!
Welches Licht? Ich sehe nur Schwarz, Schleim, DRECK!!! Ergo brauche ich meine Antworten, um mich von dem, was passiert ist, endlich differenzieren zu können. Die gefühlte Täterrolle in mir ablegen zu können...
5 vor halb 9- Frühstück. Nachdem ich schon von unseren Vanillekipferln verteilt habe...
Tratschen...
Auf die Visite warten.
Warten... nach 10.
Kurz nach 11, Visite: Die Schnellinfusion deswegen, um die große Halsvene nicht zu sehr zu strapazieren. MRT- kein Kontrastmittelenhancement.
Prall. Meine Ärztin hätte sich wohl die Bilder -so seine Aussage- gestern mit angesehen, nur das Vergleichsmaterial aus Oberwart fehlt. Was soll denn DER Scheiß??? Tönte mein alte Ärztin nicht groß: „ICH habe grad MÜHEVOLL ihre gesamten Daten durch Österreich transferiert!“, als sei sie mit 50kg-Akten durch Österreich marschiert... Und??? Hab ich den ganzen Mist nicht auch noch in CD-Form MITGEBRACHT??? Die ganzen CDs? HAAA!!!
Also keine frische Läsion. Na, da kann meine Neue gleich in ihr Kittelsäckelchen greifen und ihren Stempel rausholen. Er meinte dann, er wüsste nicht, ob ich sie noch sehen würde.
DANKE!!! ICH PASSE!!!! Mir reicht der Termin im Februar. Das mit dem Sativex solle ich ebenfalls mit ihr besprechen. JA!!! Wie oft denn noch??? Wenn es längst chefärztlich bewilligt zu bekommen ist und ich nun dreimal noch gefragt hatte? NA????
Ich sagte ihm auch, dass ich bei ihr das Gefühl hätte, mit einer Wand zu sprechen. Er, dass er es so nur weitergeben könnte.
WUT!!! Überschäumende WUT!!!
Und mich aufschlitzen wollen...
Wie mit Tina vereinbart anrufen; geht nicht ran.
Gefühlt wird das nun erst RECHT ein langes, verschissenes Wochenende.
Therapie... Letzte für die nächsten Tage...
Warten. Langweilen. Teetrinken...
Tee alle...
Nachmittags geschlafen. Das Zimmer leerte, füllte sich aber um so schneller, wieder zu 6. und ich das Küken mittendrinnen. Ich langweile mich, will nach Hause auf mein Sofa, zum dummen Kater, will vor meine Glotze und alles, was mir bleibt, ist: Saufen, saufen, saufen...
Zum hundersten Male mit Sebastian geskypet... ich kann mich gut mit den Genossinnen -teilweise- unterhalten, aber ich will nur noch weg!
Depri- verstummt- flennen können.
Filmchen gucken... Vom Laufen, vom Abbau...
Die noch gebliebene Ü40 versucht mich aufzubauen, Mails hin und her schicken...
21:10
Rein und raus... alte Menschen, mir gegenüber diese Frau, wirkt wie halbtot... Schöne Aussichten...
Ich will sterben!
Die Nacht wurde lang und es gibt noch Geräuschkulissen, die man SO noch nicht kannte...

30. Dezember 2012, Sonntag 7:33, LKH 4
.lange Nacht und „die“ Geräusche. Die neue Nachbarin, über 90, Dorfgenossin, schnarchte auf eine noch nie dagewesene Art und Weise. Beim Ausatmen, als würde sie sich verflüssigen und beim Einatmen, als würde sie aus dem modrigen Schleim wieder auferstehen. Gruselig. Ich war erst nicht müde, dann, als es endlich vollbracht war, war Schlafen unmöglich. Wälzen, drehen, 0:22 Uhr, Handy an, Musik schön laut und das Problem, NICHT auf den Kopfhörern liegen zu können. Und dann noch meine Laufmusik... Ich flennte schon wieder. JETZT eine Klinge... BITTE!!!
Nach 1 kamen Schwestern, Kontrolle. Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich darum bat, ob man die Gute nicht zur Seite wenden könnte?
Ich fühlte mich NOCH schuldiger, als sie sie kurzerhand aus dem Zimmer verfrachteten und nebenan im Aufnahmezimmer abstellten. Doch nun -nach längeren Gewissensbissen- war schlafen möglich. Kurz. Irgendwann war sie unbemerkt zurückgekehrt, schnarchte weiter. Arg...
Ging Haarewaschen...
Blutdruck 110/77, Puls 64 bpm, Temperatur 37,2°C.
Mir ging es nicht gut. Jetzt nicht anders. Die vermeintlichen Verbesserungen an der Hand -futsch, die Gesichtsfarbe fahl und ungesund, beinah grau.
Die Nacht hat ihre Spuren hinterlassen...
Warten aufs Frühstück.
Alles schweigt, ist mir auch lieber. Ich konnte gestern nicht mehr zuhören, die ältere Dame im Bett neben mir- ich verstehe sie so schlecht, und teils ohne für mich ersichtlichen Bezug gibt sie für mich zusammenhangslose Geschehnisse von sich... Ich KANN nicht mehr!!!
Und es tut mir leid!!!!!!!!
BIN SCHLECHT!!!
BIST SCHLECHT!!!!
Der Arzt meinte gestern: „Dreiviertel Stunde für die Infusion!“. Läuft schon wieder viel zu lange, nachregulieren. Hab es satt... hab alles satt...
Der Venflon wurde abmontiert, sah schlecht aus.
Visite- der coole Arzt vom Juni, scherzte herum, morgen würde ich gehen. Dieses permanente Fingerstechen, macht mich nervös. Auch die doofen und ernsten Blicke, als ich meinte, sie käme immer dann, wenn ich gerade ein Vanillekipferl verdrückt hätte. Gar STRAFENDE Blicke, als hätte ich Zucker!! Pf!
Das Mittagessen viel zu mächtig, anschließend müde, doch unzählige Besucher strömten in den Raum. Meiner brauchte etwas länger und wir sahen zu, das Zimmer fluchtartig zu verlassen, ab in die Cafeteria. Tina filmte, alles glotzte uns an.
Dann gingen sie und ich wurde zwecks Blutzuckertest schon längst wieder gesucht. Dass dieser nach Kakao und Limo zu hoch sein würde, mit 4000mg Kortison intus ist doch LOGISCH!
Ach, mir stinkt alles, auch das einhändige Tippen, die Müdigkeit und die bevorstehende Nacht UND die letzte Suchaktion nach einem Zugang für die letzte Infusion.
Von meiner kleinen Lieblingsschwester mit Wundbenzin abschrubben lassen... Brennt und klebt immer noch...



Abends... Die Gute, die gestern abends eingewiesen wurde und nach Sterben aussah, rebelliert, will wissen, wo der Ausgang ist, will abhauen.
Bekommt Besuch. So viele nette Menschen, und früher oder später schlagen beinah alle Gespräche um und verlaufen sich in Ausländerfeindlichkeit.
Hm....


31. Dezember 2012, Montag 2:35, LKH5...
Mir seit 1 Uhr morgens die Augen aus dem Kopf heulen.
Es gibt kein Happy End mehr.
Zurückgezogen in die letzte Ecke des langen Flures, wo ein Tischchen mit drei Stühlen, zwischen zwei verwaisten Betten, einem Nachttischen und einem Spezialstuhl zum Füttern für pflegebedürftige Patienten stehen. Da sitz ich nun. Ein großes Stofftaschentuch in den linken Leinenärmel gestopft.
Nein. Es gibt NICHTS mehr, NICHTS wird folgen.
Aus dem Fenster springen?
Irgendwann, das Schnarchen hielt sich noch in Grenzen, versuchte auch ich zu schlafen. Doch meine Nachbarin, die die letzten zwei Stunden damit verbracht hatte wirres Zeug zu faseln, begann zu würgen, ich schrak auf und kümmerte mich unverzüglich um sie. Die Schwester kam, nachdem ich geläutet hatte. Doch ich war wieder wach und hatte vielleicht eine Stunde mit Schlafen zugebracht. Ein neuer Versuch, die Tür ging auf, Windel- und Bettzeugwechsel. Starrte blind auf die Uhr und hoffte, es sei bereits 4.
Nein. Kurz vor halb 1.
Das Schnarchen in vollem Gange. Handy an, Laufmusik auf betäubende Lautstärke,...
Betäubend“... Was für ein „wundervoller Schmerz“, bedarf keiner Allheilsversprechen, keiner Motivationssprüche, keines „Anderen geht es noch viel schlechter!“.
War da, pur und rein und durfte sein, für einen Augenblick, ehe der Kampf in meinem Schädel von neuem einen Anlauf nahm.
Da liegen und weinen. Immer fort. Kein Lied, das es nicht verschlimmert hätte.
Alles im Arsch!!!“. Kein Kortisontief, kein Depriloch, weder noch, kein Durchhänger mit anschließendem Neuanfang. Wie immer. Wie eh und je...
Aus. Alles aus.
Kann nicht mehr.
Glücklich sein, jetzt in diesem Moment des Schlafentzuges und der Aufgekratztheit durch das Kortison wundervoll und fließend tippen zu können? Noch an IRGENDETWAS glauben?
WAS???
Es ist düster, keiner da und keiner sieht mich weinen.
Etwas Hartes. Drastisches. Klinge. Hart aufschlagen.
Psycho, mach SCHLUSS!!!
Hab geflennt, nachdem ich mich meiner Nachbarin wie selbstverständlich angenommen hatte. Warum? Der erste Gedanke: „Warum bin ich so schlecht???“, der zweite: „Könntest du das mit deiner Mutter auch?“.
Empathielos, ausgebrannt, DURCHgebrannt, verbraucht und kaputt. Mein Leben lang alle Tränen vergossen.
Alt werden“... Will ich das? MUSS ich es?
Jetzt, hier draußen, vor dem gekippten Fenster, läuft gleichwertig deprimierende Musik, Aufschlitzklänge, Abschiedsklänge...
SPRING!!!
8 nach drei.
Es ist kalt. Ich kann nicht zurück in dieses Zimmer. Zu meiner „Zukunft“, dem latent vorherrschenden Geruch von Fäkalien. Kann mich selbst doch schon nicht riechen. In den Aufenthaltsraum? Da sind andere, schlaflose Patienten. Will nicht, kann nicht.
Einfach nicht mehr sprechen, nict mehr funktionieren, nicht wie selbstverständlich das Gefühl haben zu müssen, GEZWUNGEN zu sein, zuzuhören. Wem oder was auch immer...
Ja, gute Idee- zurück ins Bett, zur Laufmusik und DORT weitermachen, wo DU aufgehört hast!!!
Ausharren.
Die Musik wird immer drastischer. Eindrücklicher die Botschaft.
Kopfschmerzen. Dennoch volle Lautstärke.
Bis 4 hier sitzen? Dann kapitulieren?
Verfall... Fremder, mein eigener... Reicht der nicht schon? Nein? MIST? DRECK? NICHTS WERT????? WERTLOS WIE ICH????
Verloren wirkende Weihnachtsdekoration. Hässlich. Deplatziert.
An den Weihnachtskrempel zu Hause denken...
Mich selbst ankotzen, ins Gesicht spucken.
Jahr zu Ende, Jahr vorbei, alles vergeudet, alles dem Abbau verschenkt.
Aber all die Aufmerksamkeit!“...
Alles wertlos, ICH wertlos, SCHEISSE, DRECK!!!
Hatte ich mich selbst jemals? Ja oder nein- hinfällig. Mich verloren.
Meine Mutter will nachmittags vorbeikommen, ich will aber nicht. Ich KANN aber nicht. Nicht auf „heile“ Welt machen, nicht meine kaputte erneut mit ihrer teilen müssen, diese Blicke, diese Worte nicht ertragen.
Ihr nicht sagen, dass ich im Krankenhaus war.
Mich ihr nicht mitteilen und SIE dabei auch nicht aushalten können. Nicht jetzt! JETZT erst RECHT NICHT!!
Wer erschießt mich? Stößt mich aus dem Fenster? Dritter Stock? Hoch genug?
LASST MICH IN RUHE!!!! ALLE!!!!
3:29 Uhr.
3:30 Uhr.
Kein angestrengtes DAUERGEREDE, von WEM AUCH IMMER!!!!
3:32 Uhr.
Immer dasselbe von dir geben, JAHREIN JAHRAUS!!!
Dann mach es doch besser!!!
DANN SPRING DOCH!!!
Verblassende Wunden auf den Armen, schweigende Narben. Letztes Zeugnis von diesem Jahr.
Ja!!! GEH UND VERRECK DOCH!! Nimm eine Silvesterrakete und mach einen Abflug, du BESCHISSENES JAHR!!
Undankbares Miststück!!!
JETZT zu Hause, JETZT alleine, und 10 funkelnagelneue Klingen...
3:38 Uhr.
3:56 Uhr. Wann kommt endlich jemand um mir zu sagen, dass ALLES WIEDER GUT WIRD, damit ICH IHM DIE FRESSE POLIEREN KANN?????
Stattdessen eine Schwester: „Schon auf?...“.
Hm...
7:23 Uhr...
Schlafen... Man DARF nicht schlafen.
Die Stimmung der einfallenden Schwestern nicht ertragen. Jene, die den Blutdruck links misst: „Haben Sie da ein bisschen Neurodermitis?“. Ich hätte sagen sollen: „Nein, aber Rasierklingen und die nötige Portion Selbsthass!!!“.
Stattdessen: „Selbstverletzendes Verhalten...“.
Wie bitte?“.
War klar.
Schlager läuft und macht die ganze Situation NOCH widerlicher!!!
Als ich nach 4 das Zimmer betrat roch es dementsprechend belastend, ich musste mein Gesicht unter der Decke verbergen, um atmen zu können. Und jedes Mal wenn man schläft, kommt jemand.
Meine Nerven sind bis zum Zerreißen angespannt- aber warum nicht gleich den Text vom letzten Mal kopieren und hier einfügen.
Noch einmal unter den Ärmel lugen: Wie kommt man DA auf Neurodermitis??
Ich hasse soeben irgendwie alles und jeden und es tut mir leid, doch kann man nicht einfach aufhören, mich anzuquatschen? BITTE???
Was mach ich hier? WAS? Als die neuen Schwestern einfielen und ich wieder so TAT als OB!!!
KOTZ!!!!!

Das Lied ist so widerwärtig. Sie hört nicht auf zu reden, kann die Kopfhörer nicht aufsetzen und die andren beiden schnarchen schon wieder. Bitte! BITTE!!! Mach dem Scheiß ein ENDE!!!!

9:16
Junge Ärztin, sticht zweimal, verzweifelt, zieht ab, verspricht die Rückkehr oder Verstärkung.
Essen, essen, essen...
Nach 12 Visite, andere Ärztin, sticht dreimal, droht schon mit Tabletten, dann am Fuß.
Akku der Kamera leer...
Alles egal, nur raus hier....


Die alte Anna im Bett neben mir weint. Es tut mir so leid, doch ich muss nur noch WEG! WEG!! WEG!!!!

1. Januar 2013, Dienstag 10:46, Überschrift? Titel? KOTZ!…
Warum musste sie vorbeikommen? Warum wieder diese klassischen, dämlichen Ansagen, Verhaltensmuster und WARUM VERDAMMT NOCH MAL HASSE ICH DAS SO?????

Zur Strafe für mein Verhalten, meine Gedanken, mein ganzes Sein in meinem desolaten Zustand das Dezemberdokument überschrieben und nun eine Ewigkeit damit zugebracht, es wiederherzustellen.
WIE DUMM kann man eigentlich sein?
Ein Junkie zu sein muss sich so ähnlich anfühlen. Aber ich zitiere gerne für alle, die es noch nicht von mir gehört haben, die selbe Scheiße noch einmal: „Aber Sie brauchen das Cortison doch mittlerweile schon!“.
JA! Weil es SO GUTE Laune macht und ich im Moment wie jedes Mal nicht sagen kann, ob es mir nun nicht sogar noch schlechter geht als davor. Den nicht mehr so kleinen Kater auf dem Schoß, er schnurrt und ich habe Mühe, ihn festzuhalten. Das Sprachprogramm will nicht so wie ich, versteht mich nicht… wie auch? Ich verstehe mich selbst nicht!

Wir kamen also nachhause, ich am Durchdrehen, dieser Saustall, dieser Dreck und diese Unordnung… egal wie: Ich MUSSTE putzen! Koste es was es wolle. Und das war ein hoher Preis…
Mich heillos kaputtgemacht, musste ins Schlafzimmer fliehen, hielt es dort aber nicht aus, wieder zurück ins Wohnzimmer und angespannt darauf warten, dass meine Mutter aufkreuzt, wie angekündigt.
Welch Wonne! Es klingelte und in mir krümmte sich alles. Sebastian ließ sie ins Haus, sie kam auf die für sie typische Art und Weise durch den Flur geschlichen, mit den klassischen Kommentaren, wie ein Auftritt auf eine Bühne, so was von ALBERN! Ich für meinen Teil stülpte mich mittlerweile gefühlt in mich selbst hinein, die Arme abwehrend vors Gesicht haltend. Und dann stand sie da und sprach mit mir, als sei ich drei oder 99 und senil. Das ist ihre absonderliche Strategie mich beschwichtigen zu wollen und ich könnte ihr dafür jedes Mal entweder ins Gesicht springen oder sie ankotzen! Mit wenigen, gebrochenen Worten stellte ich klar, dass ich im Krankenhaus war und überhaupt keinen Nerv für dieses Theater hier hatte. Und WIE sie sich an mich ran drückte, immer näher an mich ran, mich berühren wollte, berühren MUSSTE! Ich hätte noch 20 Arme mehr gebraucht um mich vor ihr zu schützen, konnte aber nur noch stammeln, dass sie mich auf gar keinen Fall anfassen sollte. Doch ihrer Nähe war schon zu nah!!
Wie absurd war das denn nun schon wieder? Jetzt fing sie an, sich VOR MIR mit Sebastian ÜBER MICH in der dritten Person zu unterhalten, flüsterte: „Warum hat sie denn nichts gesagt? Hat sie einen Schub?“, BLA BLA BLA!
AUSTICKEN! LOSSCHREIEN!!!! UM MICH SCHLAGEN, IHR WEH TUN, SIE AUS DEM HAUS JAGEN, ODER BESSER GLEICH SELBST WEGRENNEN!!!!
Mich umbringen!
Wie sehr kann eine Körperhaltung schreien: „Geh weg!“, bis der Gemeinte es endlich kapiert??
Und dann noch diese ganzen Geschenke, die sie wieder einmal mitgebracht hatte!!
Einen klitzekleinen Moment der Unvernunft, eine Chance… mich längst umgebracht!
Als sie dann endlich ging, hielt sie an der Tür noch einmal inne, schielte zu mir aufs Sofa und sagte: „Ich hab dich lieb!“. Und ICH für meinen Teil hätte gerne geschrien: „Schön! Aber ich hasse dich!“.
Sebastian und Mutter aus dem Haus, Leben fuhr in meine zersplitterten Glieder, wie von Sinnen jagte ich durchs ganze Haus, klapperte alle mir vertrauten Verstecke ab, sammelte alles ein, was sich an Selbstzerstörungsgrundlage finden ließ, vor allem das Auffinden der neuen Packung war mir wichtig! Die beiden unterhielten sich draußen noch und Sebastian erzählte später, sie hätte gemeint, dass SIE das gespürt hätte.
JA! Das Wundermirakel! Die „GROSSE Verbindung“ zwischen ihr und mir! „Ich konnte die letzten Tage nicht schlafen...“, hätte sie gesagt, weil es MIR schlecht gegangen wäre und sie das gespürt hätte.
SO EIN HUMBUG! WIR HATTEN VOLLMOND?!
Und wie ich mich so in meinen Hasstiraden verlor, und dabei immer noch versuchte zu differenzieren, was nun dem Cortison und WAS dem Knacks in unserer Beziehung geschuldet sei, fühlte ich mich schlechter und schlechter. Der Weg war vorgezeichnet.
Als ich abends, während ich versuchte aus der alten Klinge noch etwas rauszuholen, schon darüber nachdachte, was ich heute schreiben würde, sah ich den Text vor meinem inneren Auge: Eine normale Überschrift, gefolgt von „FETT, KURSIV, RECHTSBÜNDIG“. Als sei ich gestorben und nur noch ER dürfte sprechen.

...und nebenbei erwähnt verlässt mich die Geduld, dich ohnehin nicht hatte; das Schreibprogramm nonstop zu korrigieren kostet mich den nicht mehr vorhandenen letzten Nerv!…

Da öffnet sich ein kleines Fenster in meinem Schädel, da schaut eine kleine „Edith“ raus, mit schmerzverzerrtem Gesicht: „Ich will doch immer nur das Beste für dich! Ich würde alles für dich hergeben! Ich würde alles verkaufen, um dir zu helfen! Warum bist du dann so grausam zu mir? WAS hab ich dir getan?“.
ICH WEISS ES NICHT!!!! GEH ENDLICH AUS MEINEM SCHÄDEL RAUS! LASS MICH IN RUHE! DU BIST DU UND ICH BIN ICH-PUNKT!
Mich besinnen… Bin nicht ich es, die schlecht ist? Das liegt alles an mir? SIE kann NICHTS dafür?
Jedes Mal dieselbe Debatte! Wieder und wieder und wieder und wieder…

Liebe Mutter! Es tut mir leid! Ich bin einfach scheiße!“.
Nun alles gesagt?
Ich gehe auf Rückzug und sie kriecht noch renitenter hinterher. Warum tut sie das? Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass ICH ihr EIGENTUM bin? Warum sind ihre Worte einfach nur Schall und Rauch, NICHTS, dem ich Wahrheitsgehalt zuschreiben kann? Zu lange und zu intensiv gelitten unter der Vorstellung, sie stirbt und ich automatisch sterben muss? Und dann später, um mich einfach wieder und wieder zu bestrafen, sie sterben sehen zu müssen?
Warum ist ihre mütterliche Liebe für mich gefühlt mit so viel Ekel verbunden?
Und höre nonstop strafende Worte von „Außenstehenden“: „DU bist so selbstsüchtig! DU denkst, dass DU etwas Besseres bist, als deine Eltern! DU bist einfach nur undankbar!“.
Außenstehende oder einfach nur mein innerer „Freund“. Das betreffend scheint es keine Grenzen mehr zu geben…

Ich kann nicht mehr…
Und die Sonne knallt durchs Fenster, blendet mich, mir ist schlecht, ich bin schlecht, in Einzelteile zerlegt, wertlos. Kann nicht sein, darf nicht sein. Demnach bin ich nicht!

Vor dem Klo angepinkelt. Das Gesicht mit eiskaltem Wasser gewaschen. Die Gedanken werden trotzdem nicht klarer.
Und weiter geht das endlose Drama: SIE sagt, ich sei NIE eine Puppe für sie gewesen-ich fühle mich aber so.
Mir selbst auf den Schädel einhämmern: HÖR AUF! HÖR AUF! HÖR AUF! ES LANGT!
Den Vorhang vorziehen und damit die Sonne ausknipsen.
Alles gesagt? ZU VIEL gesagt? Grundlos verletzt? Wie immer? Mund aufgemacht und Scheiße kam heraus…

Der ganze Leib zittert. Die Welt um mich rum für die nächsten zwei Wochen komplett abschalten… Zu viel verlangt?
Und am Ende bleiben immer noch elf nagelneue Klingen…


2. Januar 2013, Mittwoch 9:05, Wertloses Leben…
Ich bin fahrig, torkle, vermag nicht mich zu artikulieren. Und in diesem Zustand in der Krankenhausverwaltung anrufen, um mein Vorliegen vorzubringen. Über das Wort „Vorliegen“ stolpern und nicht mehr wissen, ob das tatsächlich ein Wort ist oder nicht. Ich sehe doppelt, gar dreifach wenn man so will. Draußen Nebel. Alles worüber ich nur noch nachdenken kann ist mein Selbstmord. Wie, wann, wo?...
Sebastian hat heute Journaldienst, sitzt vormittags in der Firma. Ich bin allein. Ich vermochte kaum das Bett zu verlassen, doch ich sah mich aus mehrerlei Gründen dazu gezwungen. Erst der Anruf im Krankenhaus, um noch rechtzeitig zu verhindern, dass mein Vater erneut die Rechnung geschickt bekommt. Was für einen abgedrehten Eindruck muss ich vermitteln, in dieser Verfassung, in der ich mich nun leider befinde? Ein wenig „verrückt“?
Ach ja… das Krankenhaus hatte ich ja bereits erwähnt.
Dumme Kuh!
Der Weihnachtsbaum beleuchtet, keine Ahnung, warum Sebastian diesen nun schon morgens einschaltet. Um es auszukosten, weil er ohnehin bald rausfliegen muss?
Auf der Terrasse auf dem Tisch sitzt Paul, zusammengekauert und döst. Mein Tisch soweit leergeräumt, dass ich anschließend zur Tat schreiten kann. Das kleine Frotteetuch, die Dose mit den Klingen-vornehmlich alte-und unten drunter noch eine letzte neue aus der letzten Packung. Ein Briefchen also noch.
Die Augen fallen zu…

Nun ist es hell, die Welt da draußen hat eine Form. Doch abends?
Ich will nicht mehr. Nicht mehr SO weitermachen. Ständig im Hinterkopf, WAS ich doch für ein MONSTER bin, die armen Eltern, die armen Menschen um mich rum…
Es wird sich ändern? Ja? In welche Richtung? Dass ich wieder funktioniere? Damit es allen anderen wieder besser mit mir geht, man mich wieder aushalten kann? Wer fragt mich?
Das Leben hängt an so einem seidenen Faden, es wäre so einfach…
Ein Leben in Abhängigkeit. „Machst du mir bitte das? Und DAS vielleicht auch noch? Bitte?“. Unfähig, die einfachsten Handgriffe zu tätigen. Es ist sinnlos.
Meine Stimme gebrochen, Hitzewallungen, vermeintlich ruhig hier sitzen und dabei innerlich beben.
Ins Auto steigen, weit weg fahren, mir einen hübschen Bahngleis aussuchen und warten…
Jeder Mensch hat das Recht zu leben.
Warum dann nicht auch das Recht zu sterben?
Die Hasstiraden im Hintergrund erspare ich mir...
Die Depression kommt vom Cortison!“.
Nein... DAS denke ich nicht.
Aufgegeben, das Handtuch geworfen.
Und wie selbstverständlich erscheinen jegliche Erinnerungen an meine Kindheit im Moment so plastisch, so real, so greifbar… Als könnte ich tatsächlich in der Zeit zurückreisen. Und als hätte ich schon damals eine Verbindung zu diesem JETZT besessen, als sei die Zeit ein Weg, den man vor und zurück gehen kann, wie einem eben beliebt.
Ich habe vergessen, warum DAS nun der Grund ist, der ein vorzeitiges Ableben rechtfertigt. Vielleicht deswegen, weil nichts anderes mehr folgen wird?
Den restlichen Kaffee noch einmal in der Mikrowelle heiß zu machen erscheint absurd…
Dennoch...
Zittern…
Nebel. Ich konnte das schleimige Grinsen der Sonne ohnehin nicht mehr ertragen.
Wie viel Zeit bleibt mir noch?
Die letzte Klinge aus ihrem kleinen Kuvert packen...

Kalte Luft in den Raum… Raureif und Nebel. Da draußen… Undurchsichtig, kalt und tot... So wie DAS, was sich mein Innenleben schimpft. Der Ruf eines Schwarzspechtes hallt durch den Wald. Zähne geputzt, Haare gemacht, Gesicht gewaschen- die Gedanken werden dennoch nicht klarer.

10:23
Die Vögel gefüttert und mich sodann auf die kalte Treppe gesetzt. Stille.
Sebastian wird kommen, bringt Leben mit sich, das ich nicht ertrage. Die Glotze wird laufen, er wird sprechen, husten, sich räuspern, lachen... Und ich werde erneut daran denken müssen, mit was er mich hier zurücklässt… Und erst alle anderen! All diese Geschenke, dieser Kleinkram, dieser BALLAST, der rumsteht, nicht ohne schlechtes Gewissen weggeworfen werden kann… warum tut man das? Mich absichtlich foltern? Accessoires, Dekoration, Klimbim! WARUM diesen ganzen Scheiß sammeln? Horten? Ich kann nicht! Lieber sterben, als damit zurückgelassen zu werden!

Allein mit meinen Gedanken auf der Treppe, Hel flog vorbei... Ein altes Ei in ihr Tellerchen gelegt.
Soll ich nun dankbar sein, dass Sebastian den Dachboden aufgeräumt hat bevor ich ins Krankenhaus kam und ich mir nun nicht wie gewöhnlich auch darum Gedanken machen muss? So sehr, dass ich mir die Haare ausrupfen könnte? Wie jedes Mal?

Eine alte Klinge… schnitt sich wie ein heißes Messer durch Butter, als ich damit ein Paket zu öffnen versuchte. Darin Allerlei… Dinge, die man gebrauchen, aber vor allem auch verbrauchen kann. Kein Ballast, kein Müll, nichts, das belasten würde. Auf Zeit vorhanden und dann eben weg. Danke…
Und diese alte Klinge inspirierte mich. Die neue Klinge- ich vermochte kaum sie zu halten-hatte dieselben Vorzüge. Der Arm ist taub, ich spüre ihn nicht, ich spüre MICH nicht. Eben wie ein heißes Messer durch Butter… Doch wieder zu viel Vernunft? Angst?
Verfickter Hosenschisser!!!
Oder einfach nur keine Kraft in den Fingern?
FAULE AUSREDE!!
Ein kleines Missgeschick… Einmal abrutschen…
ABER NICHT EINMAL DAFÜR ZU GEBRAUCHEN, DU UNFÄHIGES STÜCK DRECK!!
Klopapier auf die Wundfläche geklebt. Strumpf darüber gestreift.
UND DAS SOLL ES NUN GEWESEN SEIN, DU FEIGE SAU?!!

Nebel… Immer noch still. Kann es nicht so bleiben? Neben mir die Leinwand-unfertig. Ist sinnlos. Aussage steht gegen Aussage, für mich gibt es keine Antworten, keine Erlösung, die Symbolik dreht sich im Kreis und ist wertlos, weil längst abgenutzt. Wo bleiben denn nun die Erinnerungen, die nötig wären, um das innere Bild fertig zu zeichnen?
Dieses Püppchen… Dieses kleine, fragile und dem Untergang geweihte Püppchen… Ein wenig Blut im Schritt, die Augen hohl und leer. Ins Hirn gepflanzte Bilder?
Und wie sinnlos erschien das gestern, den Kalender für dieses Jahr aufzusetzen. Ich dachte wieder nur, dass Sterben einfacher wäre als mir diesen ganzen Mist schon wieder antun zu müssen. Lohnt sich doch alles nicht mehr! Und als ich dann noch sah, in zwei Wochen ein Frauenarzttermin zu haben, reagierte ich heftig. Weggelaufen in meiner Situation ohnehin keine Option mehr. Aber mich umzubringen, um nicht wieder und wieder diesem Mist ausgesetzt sein zu müssen…
Ist das ein Zeichen? Kann, bzw. DARF mir das irgendetwas sagen? Hab meine Tage. In Zusammenarbeit mit dem Cortison fühlt es sich noch unerträglicher an, noch widerwärtiger, WILL das da unten alles nicht mehr, rausschneiden oder mich selbst AUS dem Leben schneiden!
Mir wird schlecht… Es genügt schon, an meinen Unterleib zu denken, doch ihn dann auch noch spüren zu müssen?… Wohin mit mir?

Nebel, Stille, fragil und alsbald tot.