Es war einmal.....

September 1998.
Die jungfräuliche Bibi saß bereits seit Tagen am Schulcomputer und erforschte die Weiten des Internets. Von vielen Jünglingen angebaggert, da Frauen in Chats noch Mangelware waren, fühlte sie sich bald angewidert von diesem Ekelpack, das nur das eine wollte.

Doch eines schönen Tages, der September neigte sich bereits dem Ende zu, wagte sie sich wieder in Chatcity's Gefilde und sprach einen "Miezekater" an, der nicht wie erwartet mit ,,Willst du CS?" antwortete, sondern mit einem netten Hallo. Überwältigt von so viel Freundlichkeit und Güte stürzte sich die Bibihexe wie von Sinnen auf den Recken und entriss ihm seine Adresse.

Es sollte Oktober werden, nachdem die holde Maid ihren Führerschein bekam, bis sie zu Papier und Feder greifen sollte um die ersten Zeilen mit einem Geburtstagsgruß zu schreiben und dem sagenumwobenen Nordmann zu senden.
Es gab ein Wiedersehen im Chat, und noch eines und noch eines und noch eines.
Winterdepressionen grämten die Hexe und der tapfere Miezekater lauschte ihren Zeilen jeden Abend, bis tief in die Nacht hinein.
Als der Kalender den 27. zählte, und sich die beiden des abends wieder trafen, verließ die Hexe endgültig der Verstand, und sie beichtete ihm ihre Liebe.
Er zeigte sich etwas reserviert, meinte aber das selbe zu empfinden. Die Hexe schenkte dem aber keinen großen Glauben und wartete ab, wie es sich entwickeln sollte.

Der Winter zog ins Land, mit klirrender Kälte und Schnee, und zum ersten mal ereilte die Jungfrau ein Brief mit einem Bildnis ihres Liebsten, und ihr Herz schmolz dahin wie Eis in der Sonne.
Es folgte ein weiterer Brief mit einer Kassette, auf der die Lieblingsklänge ihres Liebsten und seine Stimme zu hören waren. Als sie den Schatz in den Radio legte und sie zum ersten mal seine Stimme vernahm sackte sie zusammen und blieb nach Luft japsend am Boden sitzen.
Allen Mut zusammengenommen, kam es zum ersten Gespräch, die Telefonrechung explodierte.

Und es ward Dezember, die Liebesqualen schier unerträglich und man vereinbarte das erste Treffen. Der tapfere Recke würde sich von der Ostsee bis in den Süden an die pannonische Ebene durchkämpfen, um eine Woche mit der Holden zu teilen.

Dann, endlich, war der 9. Januar gekommen und die Hexe stand in edles Gewand gehüllt bereits eine Stunde vor Ankunftszeit im kleinen Bahnhof in Jennersdorf und starrte zitternd auf die Uhr.
Es schlug die 13. Stunde und der Zug fuhr ein, viele Jünglinge entstiegen dem eisernen Ross, und die Hexe zuckte jedes mal zusammen, wenn sich wie von magischer Hand die Türe des Bahnhofs öffnete. Doch kein Ritter Sebastian weit und breit zu sehen.

Der Zug fuhr wieder ab und es wurde ruhig in den einsamen Hallen. Immer noch kein Zeichen des so sehnlichst' Erwarteten. So beschloss sie das Gebäude enttäuscht und voller Sorge zu verlassen und trat hinaus in die klirrende Kälte.

Und siehe da! Da stand er, in voller Größe, mit eisblauem Schopfe, zusammengekauert, und erspähte sie noch nicht. Ihr Herz schlug immer schneller, als sie unsicheren Schrittes auf ihn zuging, bis er sie bemerkte, und sie "Sebastian?" fragend flüsterte.
Sie hatten sich vorgenommen, sich zu küssen, doch der Kuss scheiterte, nicht nur am Größenunterschied, nein auch an der Unerfahrenheit der kleinen Jungfrau.
Sie hatten sich vorgenommen, Hand in Hand durch die Stadt zu schlendern um dem Dorfe zu demonstrieren, dass die Holde nun vergeben sei.
Doch daraus wurde nichts, die Scheu war einfach zu groß.

Die Mäuler der Einwohner der Stadt standen weit offen, die Mäuler der Dorfbewohner ebenso. So wanderten die beiden an ihrem ersten Abend durch das in Schnee gehüllte Henndorfer Hügelland, bis Sebastian meinte, die kleine Hexe wäre so schnellen Schrittes dass sie ihm noch davonlaufen würde, ob sie ihn nicht an der Hand nehmen möchte. Mit Herzklopfen nahm sie das Angebot an und so wanderten sie durch die Wälder, in der Dämmerung, bis sie zur Dunkelheit den Waldesrand erreichten, kurz innehielten und der schöne Jüngling die kleine Hexe zum ersten mal umarmte. Schaudern.
In der Dunkelheit machten sie sich noch einmal auf den Weg in die Wildnis, hatte die Hexe doch einen Vollmond versprochen. So standen sie nun da, er hielt sie wärmend im Arm und schauten gen Himmel, er flüsterte immer wieder: ,,Wo ist der Mond?", bis er sie küsste, zum ersten Mal....
Der Rest bleibt ein Geheimnis und als ihre Tage gezählt waren, standen sie beide am Bahnhof, im Sonnenuntergang, sich haltend, sie weinte, sich ein letztes "Ich liebe dich" zuflüsternd, als sie ihn losließ, er einstieg und ihr Herz in tausend Scherben zerbrach, die auf den kalten Beton fielen, als die Lichter des Zuges im letzten Abendrot verschwanden.

Die Qualen waren unerträglich, selbst heilsame Schokolade konnte nichts ausrichten.

Die Odyssee nahm ihren Lauf, ein Hin und Her der Gefühle, ein Hin- und Herreisen, mit grausamen Abschiedsszenen prägte das Jahr 1999 bis die beiden endgültig zueinander fanden und zusammenzogen, und wenn sie nicht gestorben sind dann wohnen sie nun in ihrem roten Hexenhäuschen.

 

Die Liebe ist groß, wie am ersten Tag, die Liebe bedeutet mein Leben, ohne sie wäre ich nichts und würde keinen Sinn im Leben sehen.
Ich habe Sebastian so vieles zu verdanken, dass er zu mir gestanden hat in all den finsteren Stunden meines Daseins, ich wünschte ich könnte es ihm gleichtun...

Ich danke dir, mein Herz...

 

in tiefster Liebe...

deine kleine Hexe

 

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